Mit Telefonüberwachung gegen SVG-Delikte

Am 11. Mai 2007 hat das Bundesgericht einen Entscheid (6A.113/2006 vom 30.04.2007) online gestellt, den ich verpasst hätte, wären da nicht fel und die NZZ.

Im Oktober 1999 ordneten die zuständigen Behörden eine Telefonüberwachung an, weil sich X. eines Drogendelikts verdächtig gemacht hatte. Am 8. November 1999 wurde ihm der Führerausweis wegen eines anderen Delikts entzogen. Kurz darauf ergab die Telefonüberwachung folgendes:

„Jetzt bin ich gerade in meinem neuen Range Rover drin … und fahre selber … ich musste ihn doch ausprobieren … jetzt fahr ich wieder retour“.

Daraufhin wurde ein neues Strafverfahren wegen Widerhandlung gegen das SVG eröffnet, dass dann aber wegen Verjährungseintritts eingestellt wurde. Im Administrativverfahren wurde X. der Führerausweis wegen Führens eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs für die Dauer von sechs Monaten entzogen. Dagegen wehrte er sich nun erfolgreich. Seine Verwaltungsgerichtsbeschwerde wurde vom Bundesgericht nach altem SVG beurteilt (gültig bis 24.12.2004). Die zu prüfende Frage definierte das Bundesgericht wie folgt:

Im vorliegenden Verfahren ist einzig zu prüfen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Zufallsfund aus der im Rahmen eines Strafverfahrens angeordneten Telefonüberwachung in einem Administrativverfahren betreffend
Entzug des Führerausweises zu Warnzwecken verwertet werden darf (E. 6.1).

Diese Frage hat das Gericht in der Folge verneint. Es erinnerte zunächst daran, dass ein Warnungsentzug eine repressive Massnahme mit strafähnlichem Charakter darstelle. Damit seien die strafprozessualen Regeln auch im Entzugsverfahren analog anwendbar:

Der Zufallsfund darf mithin im Administrativverfahren verwendet werden, wenn er im Strafverfahren betreffend die Widerhandlung, die Anlass für das Administrativverfahren bildet, verwertet werden darf. Die prinzipiell ohnehin unsichere Abwägung der auf dem Spiel stehenden Interessen, auf welche die Vorinstanz abstellt, ist insoweit ein untaugliches, nicht sachgerechtes und daher willkürliches Kriterium (E. 6.2.4).

Dieser etwas überraschenden Wertung folgt die Frage nach dem anwendbaren Recht. Das BÜPF war im massgeblichen Zeitpunkt noch nicht in Kraft, so dass die damals geltende kantonale Strafprozessordnung (Art. 192 aStPO/SH) anwendbar war (vgl. Art. 18 BÜPF).

Das Führen eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs war nach dem hier massgebenden alten, bis Ende 2004 geltenden Recht (Art. 95 Abs. 2 aSVG) angesichts der Strafdrohung von wenigstens 10 Tagen Haft und Busse lediglich eine Übertretung. Wegen dieser Tat konnte gemäss Art. 192 aStPO/SH eine Telefonüberwachung nicht angeordnet werden. Daher durfte ein auf eine solche Tat hindeutender Zufallsfund gemäss Art. 196 aStPO/SH im Strafverfahren nicht verwertet werden. Demnach durfte die Aufzeichnung des abgehörten Telefongesprächs auch im Administrativverfahren betreffend Entzug des Führerausweises zu Warnzwecken nicht als Beweismittel verwendet werden (E. 6.4).

Damit war die Sache aber noch nicht gegessen, denn X. hatte in den polizeilichen Einvernahmen die Tat gestanden. Dazu machte es sich das Bundesgericht nun leider einfach, indem es die Frage der Verwertung der Protokolle und damit der Fernwirkung des Verwertungsverbots offen liess:

Mit der Frage, ob diese polizeilichen Einvernahmen auch verwertbar sind, wenn der Zufallsfund aus der Telefonüberwachung nicht verwertbar wäre, hat sich die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid nicht befasst, wozu sie auch keinen Anlass hatte. Das Bundesgericht hat daher keinen Grund, sich im vorliegenden Verfahren mit dieser Frage der sog. Fernwirkung des Verwertungsverbots auseinander zu setzen und zu prüfen, ob der Führerausweisentzug allein aufgrund des vom Beschwerdeführer nach Vorhalt des unverwertbaren Zufallsfundes abgegebenen Geständnisses angeordnet werden könnte 6.5).

Damit geht der Fall zurück an die Vorinstanz und wird dann möglicherweise zur Beantwortung der offenen gelassenen Frage der Fernwirkung nach Lausanne zurückkehren. Auch dann nicht beantworten wird das Bundesgericht allerdings die Rechtslage nach geltendem Recht.