Rückzugsfiktion?

Das Obergericht BE wollte sich entlasten, indem es auf eine bereits in der Berufungserklärung hinreichend begründete Berufung nicht eintrat, weil der Beschwerdeführer auf eine weitere ihm gesetzte Begründungsfrist nicht reagiert hatte (BGer 6B_522/2025 vom 28.08.2025). Das Bundesgericht wirft der Vorinstanz überspitzten Formalismus vor:

In seiner Berufungserklärung vom 3. Februar 2025 hat der Beschwerdeführer Berufungsanträge gestellt und seine Berufung auch begründet. Aus der Berufungsbegründung ergibt sich unmissverständlich, welche Punkte des erstinstanzlichen Urteils er anficht (Schuldspruch inkl. Strafe und Widerrufsverfahren). Auch hat der Beschwerdeführer angegeben, welche Gründe seines Erachtens einen anderen Entscheid nahe legen und seine Ansicht begründet, wobei er sich mit den Aussagen des Zeugen ausführlich auseinandersetzt. Ferner hat er Beweisanträge gestellt und begründet (kantonale Akten, pag. 132 ff.). Die Berufungserklärung hat damit den Anforderungen der Rechtsmittelbegründung nach Art. 385 Abs. 1 StPO ohne Weiteres entsprochen. Die Vorinstanz wäre bei dieser Sachlage in der Lage gewesen, das Berufungsverfahren durchzuführen. Dabei schadet nicht, dass der Beschwerdeführer nicht innert Frist in einer (weiteren) schriftlichen Eingabe seine bereits mit der Berufungserklärung eingereichte Begründung wiederholt oder unter Verzicht auf eine Wiederholung auf seine begründete Berufungserklärung verwiesen hat. Das Bundesgericht hat wiederholt darauf hingewiesen, dass die Annahme der Rückzugsfiktion gemäss Art. 407 Abs. 1 lit. b StPO gestützt auf diese Säumnis einem überspitzten Formalismus gleichkommt. Diese prozessuale Formstrenge sei sachlich nicht gerechtfertigt, verkomme zum blossen Selbstzweck und erschwere die Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise (Urteile 6B_540/2021 vom 13. April 2022 E. 1.5.2; 6B_684/2017 vom 13. März 2018 E. 1.4.2 mit Hinweisen). 

Die Vorinstanz war nach dem Gesagten gehalten, das eingelegte Rechtsmittel materiell zu prüfen und sich mit den vom Beschwerdeführer in seiner Berufungserklärung vom 3. Februar 2025 thematisierten Punkten auseinanderzusetzen und ein Urteil zu fällen. Dass die Vorinstanz das Verfahren als durch Rückzug der Berufung erledigt abgeschrieben hat, verletzt damit Bundesrecht. Daran vermag der von der Vorinstanz vernehmlassungsweise vorgetragene Einwand, sie habe aufgrund des Verzichts des Beschwerdeführers auf Einreichung einer schriftlichen Berufungsbegründung nach der durch sie getroffenen Edition verschiedenster Unterlagen, der begründeten Abweisung der Beweisanträge sowie expliziter Aufforderung zur Einreichung einer schriftlichen Berufungsbegründung ohne Weiteres zum Schluss kommen dürfen, der Beschwerdeführer ziehe die Berufung zurück, nichts zu ändern. Wie dargelegt, lag mit der Berufungserklärung vom 3. Februar 2025 bereits eine hinreichende Berufungsbegründung im Recht. Zwar musste die Vorinstanz dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zur Ergänzung der begründeten Berufungserklärung ansetzen, jedoch war dieser nicht gehalten, sich nochmals vernehmen zu lassen. Kommt hinzu, dass sich der Beschwerdeführer nach Abweisung seiner Beweisanträge in seiner als „Stellungnahme zum Beschluss vom 4. März 2025“ bezeichneten Eingabe vom 25. März 2025 nochmals vernehmen liess, die Abweisung der Beweisanträge kritisierte und sich erneut mit den Aussagen des Zeugen auseinandersetzte (E. 3).