Strafbarer passiver Widerstand
Die schweizerische Justiz hat wenig Verständnis für Menschen, die sich der Staatsgewalt gegenüber widersetzlich verhalten. Selbst passiver Widerstand wird unter Art. 286 StGB erfasst.
Eigentlich ist eine solche Haltung typisch für autoritäre oder gar totalitäre Systeme. Ich frage mich schon lange, wieso die schweizerische Rechtsprechung in diesem Bereich derart streng ist (und dann durch relativ milde Strafen zu kompensieren scheint).
In einem neuen Urteil des Bundesgerichts (BGer 6B_1175/2016 vom 24.03.2017) wird die Verurteilung zweier Männer bestätigt, denen vorgeworfen wurde,
bei der Ausweisung aus dem von ihnen bewohnten Zimmer durch die Zuger Polizei passiven Widerstand geleistet zu haben, indem sie sich aneinander geklammert hätten .
Das Bundesgericht hatte sich mit der Frage der Strafbarkeit des geschilderten passiven Widerstands allerdings nicht auseinanderzusetzen. Die beiden Verurteilten liessen sich nicht vertreten und kriegten auch keine unentgeltliche Rechtspflege. Sie verhielten sich im ganzen Verfahren so, dass sie gar nie eine Chance haben konnten.
Dass die Schweiz ein totalitäres Regime sei soll, ist mir neu.
Dass das Recht nur mit Autorität und Konsequenz durchzusetzen ist, lässt sich wohl nicht beanstanden, oder wie setzt ein Rechtsanwalt seine finanziellen Forderungen gegenüber seinen Klienten um?
Art. 286 Abs. 1 StGB sieht als Höchststrafe 30 Tagessätze vor. Die vom Gericht verhängte Strafe von 10 Tagessätzen – 1/3 des Maximums – erscheint demnach nicht mild zu sein; auch die Tagessatzhöhe von CHF 10.00 hat auch nichts mit Milde zu tun, sondern ist die Folge der geringen finanziellen Mittel der Beschuldigten, was wohl auch nicht zu beanstanden ist.
Schliesslich ist es nicht zu beanstanden, dass die Beschuldigten nicht auf Staatskosten sich vertreten lassen konnten. Wo die Grenzen zur staatlich übernommenen Verteidigung liegen, legt das Gesetz fest und das Bundesgericht hat sich mittlerweile ausgiebig dazu geäussert. Ob das kritisierte Strafverfahren einen anderen Ausgang genommen hätte, wenn die Beschuldigten sich auf eine Verteidigung hätten stützen können, ist angesichts des Sachverhaltes stark zu bezweifeln.
Friedrich Müller
Ich habe nicht gesagt, die Schweiz sei ein totalitäres Regime.
Rechtsanwälte setzen ihre Forderungen übrigens nicht um, sondern durch. Das tun sie, indem sie Rechnung stellen und hoffen, dass sie bezahlt werden. Dazu braucht es nicht Autorität, sondern Legitimität. Das gilt auch für die Durchsetzung des Rechts. Autoritär auftretende Behörden finde ich peinlich.