Strafbares Musizieren
In Zürich ist ein Strassenmusiker verurteilt worden wegen, weil er ohne Bewilligung musiziert hat. Dabei hat er CHF 21.50 eingenommen, die eingezogen wurden (Deckungsbeschlagnahme). Seine Rechtsmittel blieben weitgehend erfolglos (BGer 6B_866/2016 vom 09.03.2017).
Vor Bundesgericht trug der Beschwerdeführer so ziemlich jede Rüge vor, die einem bei diesem Sachverhalt überhaupt einfallen kann. Das Bundesgericht schmettert alles in einem ausserordentlich aufwändig begründeten Entscheid ab, gewährt aber die unentgeltliche Rechtspflege.
Mein Highlight aus der Begründung:
Vor diesem Hintergrund ist der Vorinstanz im Ergebnis keine Willkür vorzuwerfen. Ihre Erwägung, wonach Strassenmusik gesteigerten Gemeingebrauch darstelle, da die Nutzung der Strasse oder eines Gehsteigs zum Zwecke des Musizierens den Rahmen des Üblichen übersteige, d.h. nicht der bestimmungsgemässen Verwendung entspreche, mag zwar etwas knapp ausgefallen sein (und dürfte für die Qualifikation als gesteigerten Gemeingebrauch insbesondere auch der nicht erwähnte entgeltliche Aspekt des Musizierens durchaus wesentlich gewesen sein). Allerdings ist die vorinstanzliche Begründung aufgrund ihrer Knappheit nicht gleich willkürlich, und jedenfalls das Resultat ihrer Überlegungen erscheint keineswegs unhaltbar. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, ändert daran nichts. Seine Argumentation lässt insbesondere unberücksichtigt, dass er musizierte, um damit Geld zu verdienen, und dass er die Strasse folglich nicht zu unentgeltlichen Zwecken nutzte, wie die Personen in den von ihm aufgeführten Beispielen (E. 6.4.3, Hervorhebungen durch mich).
Und vielleicht noch die Erwägungen zur Einziehung:
Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, hat der Beschwerdeführer den Betrag von Fr. 21.50 durch sein Musizieren erlangt, das als Übertretung der Allgemeinen Polizeiverordnung der Stadt Zürich im Sinne von Art. 26 APV i.V.m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 20 VBÖG zu qualifizieren ist. Die Einziehung der fraglichen Geldsumme erweist sich demnach als nicht willkürlich. Dass der Beschwerdeführer selbst lediglich im Falle einer Verurteilung wegen Bettelei einen solchen Zusammenhang bejahen würde, diesen aber in Bezug auf die erwähnte Übertretung nicht ausmachen können will, ändert daran nichts. Entscheidend ist, dass der Beschwerdeführer den in Frage stehenden Geldbetrag durch eine deliktische Tätigkeit erlangte. Wie deren rechtliche Qualifikation letztlich lautet, ist nicht relevant. Dass die Fr. 21.50 in den Akten als „Bettelgeld“ vermerkt wurden, ist deshalb ebenfalls nicht von Bedeutung (E. 9.3).
Soviel zum Strafrecht als „ultima ratio“.
Das Bundesgericht blendete in 6B_866/2016 vom 09.03.2017 E. 5. hinsichtlich der gerügten Verletzung des Legalitätsprinzips aus, dass Art. 20 VBÖG (AS 551.210) inzwischen entscheidend geändert bzw. per 01.01.2017 mit einer Ausführungsregelung Strassenkunst (AS 551.212) ergänzt wurde:
Art. 20 VBÖG Strassenkunst
Musizieren und Darbietungen auf öffentlichem Grund sind ausserhalb von bewilligten Veranstaltungen in den von der Vorsteherin oder dem Vorsteher des Polizeidepartements bezeichneten Gebieten unter Berücksichtigung der definierten Ruhezeiten erlaubt. Es dürfen keine Verstärker, Aufbauten oder andere Hilfsmittel verwendet werden. Die Örtlichkeit ist alle 30 Minuten zu wechseln.
Ausführungsregelung Strassenkunst vom 28. November 2016
Der Vorsteher des Sicherheitsdepartments gestützt auf Art. 20 Verordnung uber die Benutzung des öffentlichen Grundes vom 23. November 2011 (Benutzungsordnung), verfügt:
Musizieren und Darbietungen auf öffentlichem Grund sind ausserhalb von bewilligten Veranstaltungen wie folgt erlaubt:
Seeuferanlagen im bisherigen Perimeter von der Lindenstrasse im Seefeld bis vor die Bootsvermietung Enge (7 Uhr bis Beginn Nachtruhe um 22 Uhr bzw. während der Sommerzeit freitags und samstags bis 23 Uhr)
Kreis 2: Tessinerplatz (werktags 7 bis 20 Uhr)
Kreis 4: Helvetiaplatz (werktags 7 bis 20 Uhr)
Kreis 5 Escher-Wyss-Platz und Turbinenplatz (werktags 7 bis 20 Uhr)
Kreis 9: Altstetterplatz und Lindenplatz (werktags 7 bis 20 Uhr)
Kreis 11: Marktplatz Oerlikon und Max-Bill-Platz (werktags 7 bis 20 Uhr)
Diese Regelung tritt am 1. Januar 2017 in Kraft.
Interessanter ist im Übrigen das angefochtene Urteil SU160003 des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 10. Juni 2016 Erw. IV. 4. Das Obergericht erwog, dass der Beschwerdeführer sich nicht der Bettelei im Sinne von § 9 StJVG (LS 331) strafbar gemacht habe, da er mit seinem Musizieren eine Gegenleistung erbracht und somit nicht um Almosen gebeten habe.
Die Einziehung macht Sinn. Aber einen eingezogenen Betrag zur Deckung der Verfahrenskosten zu verwenden, geht gar nicht. Ich staune, dass das Bundesgericht sich dazu nicht zumindest in einem obiter dictum geäussert hat. Es kann ja nicht angehen, dass die Verbindlichkeit des Täters gegenüber dem Staat um den von ihm erlangten Deliktserlös gemindert wird resp. gerichtlich angeordnet wird, dass der Täter von seinem Deliktserlös profitiert.
Wieso soll er denn jetzt profitieren? Ich glaube übrigens nicht, dass man hier von Deliktserlös sprechen kann. Strafbar war ja nicht das Musizieren, sondern die fehlende Lizenz. Und den Passanten war es bestimmt egal, ob er eine hatte oder nicht. Sie haben bezahlt, weil ihnen die Musik gefallen hat. Oder ist das jetzt rabulistisch?
Der Einziehung unterliegt ausschliesslich Deliktserlös und das Bundesgericht hat die Einziehung geschützt. Die Verfahrenskosten schuldet der Beschuldigte und wenn diese entgegen den gesetzlichen Regelungen mit dem Deliktserlös gedeckt werden, profitiert der Beschuldigte ungerechtfertigt. Man stelle sich vor, der Staat beschlagnahmt Geld aus dem Verkauf von Drogen, der Täter wird wegen Drogenhandels verurteilt, er muss aber keine Verfahrenskosten bezahlen, weil diese mit dem Drogengeld beglichen werden.
So what? Sind die Verfahrenskosten denn Strafe?
Ich teile Ihre Auffassung. Deliktisches Geld zur Deckung von Verfahrenskosten zu verwenden geht nicht. Damit wird der Delikterlös „reingewaschen“. Dass es sich hier um deliktisches Geld handelt, hat das Bundesgericht selbst ausgeführt im besagten Entscheid, vgl. E. 9.3: „Entscheidend ist, dass der Beschwerdeführer den in Frage stehenden Geldbetrag durch eine deliktische Tätigkeit erlangte. “
Eine andere Frage ist, ob das Bundesgericht den Fehler von Amtes wegen hätte korrigieren müssen, da es hier eigentlich nur eine Willkürprüfung vorzunehmen hatte….
Nein. Aber sie sind geschuldet und zu bezahlen. Der Deliktserlös muss der Staat dem Täter wegnehmen, da sich strafbares Verhalten nicht lohnen darf. Also kann der Täter nicht mit dem Deliktserlös die Verfahrenskosten bezahlen.