Unnötiger Würdigungsvorbehalt?

Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Anklageprinzip wird je länger je unübersichtlicher.
In einem neuen betont es unter Verweis auf Art. 350 Abs. 1 StPO, die rechtliche Würdigung sei “ausschliesslich Aufgabe des Gerichts”. Es sei daher mit dem Anklagegrundsatz vereinbar, einen als Gehilfen Angeklagten wegen Mittäterschaft zu verurteilen (BGer 6B_1455/2017 vom 06.07.2018).

Dass es auch noch Art. 344 StPO gibt, scheint das Bundesgericht nicht zu kümmern:

Weiter kritisiert der Beschwerdeführer, indem die Vorinstanz ihn wegen versuchten Betrugs in Mittäterschaft schuldig spreche, verletze sie den Anklagegrundsatz, da er lediglich wegen Gehilfenschaft zu versuchtem Betrug angeklagt worden sei (Beschwerde S. 3). Er scheint zu übersehen, dass das Gericht zwar an den in der Anklage umschriebenen Sachverhalt gebunden ist, nicht aber an die darin vorgenommene rechtliche Würdigung. Diese ist ausschliesslich Aufgabe des Gerichts (Art. 350 Abs. 1 StPO; Urteil 6B_254/2015 vom 27. August 2015 E. 3.1 mit Hinweisen).

Auch der zitierte Bundesgerichtsentscheid enthält übrigens keinen Hinweis auf Art. 344 StPO. In jenem Fall war dies auch nicht so gravierend, weil die rechtliche Würdigung des Gerichts als Eventualantrag bereits in der Anklage enthalten war (vgl. dazu meinen früheren Beitrag).