Verteidigerwechsel / unentgeltliche Rechtspflege
Beim Studium der täglich online gestellten Urteilen des Bundesgerichts fällt auf, dass immer wieder abweisende Zwischenentscheide kantonaler Instanzen zum Thema Verteidigerwechsel erscheinen, so auch heute (BGer 1B_205/2008 vom 01.09.2008). Das Bundesgericht tritt auf solche Beschwerden wie im neusten Fall häufig bereits aus formellen Gründen nicht ein, was nicht weiter verwunderlich ist, zumal die Beschwerdeführer vor Bundesgericht in der Regel nicht vertreten sind.
Heute hat das Bundesgericht der Vorinstanz gegenüber in einem obiter dictum das Verfahren nach BGG erklären müssen:
Zur Vermeidung unnötiger Weiterungen im Hinblick auf künftige Verfahren ist Folgendes anzumerken: Im angefochtenen Entscheid wird erwogen, bei allfälliger Erhebung einer Beschwerde an das Bundesgericht gegen das kantonsgerichtliche Strafurteil werde das Bundesgericht für die Beurteilung eines Verteidigerwechsels zuständig sein. Es gilt jedoch festzuhalten, dass die amtliche Verteidigung nur für das kantonale Verfahren gilt. Im Rahmen einer Beschwerde an das Bundesgericht kommt hingegen Art. 64 BGG zum Zug. Danach bestellt das Bundesgericht der Partei unter den Voraussetzungen von Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG einen unentgeltlichen Rechtsbeistand.
Zur Vermeidung unnötiger Hoffnungen: Das Bundesgericht entscheidet erst im Nachhinein über die unentgeltliche Rechtspflege. Wer als Anwalt ein solches Mandat übernimmt, läuft Gefahr, dass die unentgeltliche Rechtspflege nicht bewilligt wird, womit seine Aufwendungen nicht ersetzt werden.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat wiederholt ausgeführt, dass die Garantien von Art. 6 EMRK, also unter anderem die notwendige Verteidigung, auch in Verfahren vor Verfassungsgerichten, also in Verfahren der Beschwerde in Strafsachen vor Bundesgericht, gelten (Mark E. Villiger, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention, Zürich 1999, Randziffern 405 und 472, mit Hinweisen auf Süssmann gegen Deutschland vom 16. September 1996, Ziffern 36-46 und Reisz gegen Deutschland vom 20. Oktober 1997, Nr. 32013/96).
Die Verweigerung der notwendigen Verteidigung vor Bundesgericht erweist sich folglich als Verletzung der EMRK und wird von den Bundesrichtern angewandt, um mittellosen Beschwerdeführern den Zugang zum Bundesgericht faktisch zu verunmöglichen. Damit verankert das Bundesgericht bewusst eine Zweiklassenjustiz.