Wer andern eine Grube gräbt ….
Das Obergericht ZH ist auf eine Berufung nicht eingetreten, obwohl eigentlich klar war, was der Berufungskläger beantragte und wie er dies begründete. Das Bundesgericht kassiert und stellt fest, es sei überspitzt formalistisch, hier die Prozessfalle nach Art. 407 Abs. 1 lit. b StPO anzuwenden (BGer 6B_540/2021 vom 13.04.2022):
Nach Zustellung der erstinstanzlichen Urteilsbegründung am 24. Dezember 2020, hat er mit Schreiben vom 14. Januar 2021 seine bereits gestellten Berufungsanträge wiederholt und diese summarisch begründet (vgl. angefochtener Beschluss S. 2). Dabei hat der Beschwerdeführer in seiner als Berufungserklärung zu qualifizierenden Eingabe vom 14. Januar 2021 (…) unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er das erstinstanzliche Urteil vollumfänglich anfechten will. Auch hat er erklärt, welche Abänderungen des erstinstanzlichen Entscheids er verlangt. Indem er den erstinstanzlich festgestellten Sachverhalt bestritt und sich auf den Standpunkt stellte, dass die gegen ihn verwendete Videoaufnahme rechtlich unzulässig, mithin nicht verwertbar sei, hat er darüber hinaus – wenn auch sehr knapp – dargelegt, welche Gründe aus seiner Sicht einen anderen Entscheid nahe legen. Dass und inwiefern die Berufungserklärung den Anforderungen der Rechtsmittelbegründung nach Art. 385 Abs. 1 StPO nicht entsprochen hätte, lässt sich den vorinstanzlichen Erwägungen nicht entnehmen. Die Vorinstanz wäre bei dieser Sachlage in der Lage gewesen, das Verfahren durchzuführen. Dabei schadet nicht, dass der Beschwerdeführer es unterlassen hat, seine bereits mit Schreiben vom 14. Januar 2021 eingereichte Begründung innert Frist in einer schriftlichen Eingabe zu wiederholen oder unter Verzicht hierauf auf seine begründete Berufungserklärung zu verweisen. Wie das Bundesgericht im Urteil 6B_684/2017 vom 13. März 2018 E. 1.4.2 erwogen hat, käme die Rückzugsfiktion gemäss Art. 407 Abs. 1 lit. b StPO gestützt auf dieses Säumnis einem überspitzten Formalismus gleich. Diese prozessuale Formstrenge wäre sachlich nicht gerechtfertigt, würde zum blossen Selbstzweck verkommen und die Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise erschweren. Die Vorinstanz wäre nach dem Gesagten gehalten gewesen, das eingelegte Rechtsmittel materiell zu prüfen und sich mit den vom Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom 14. Januar 2021 aufgeworfenen Tat- und Rechtsfragen auseinanderzusetzen. Dass die Vorinstanz das Verfahren als durch Rückzug der Berufung als erledigt abgeschrieben hat, verletzt damit Bundesrecht (E. 1.5.2).
Link zu Entscheid BGer?
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