Zu dünnhäutige Politikerin

Noch sind die Wahlen 2019 nicht abgeschlossen, schliesst das Bundesgericht ein Strafverfahren ab, welches im Umfeld der Wahlen 2015 eingeleitet worden war (BGer 6B_365/2019 vom 01.10.2019, Fünferbesetzung). Eine Politikerin fühlte sich durch eine Wahlkampf-Aktion in ihrer Ehre verletzt.

Es ging um Aufkleber auf der Titelseite mehrerer Zeitungen mit dem Slogan “Für wenige statt für alle”, die Aufforderung “wählt A.”, die Information “steuerbares Vermögen Fr. 12.3 Mio., steuerbares Einkommen Fr. 0.–” sowie den Hinweis auf die Internetseite I… Daraus liesse sich der Vorwurf der Doppelmoral ableiten. Das sieht auch das Bundesgericht so, hält es aber wie die beiden Vorinstanzen für strafrechtlich nicht relevant:

Der gegen die Beschwerdeführerin erhobene und für den Durchschnittsleser erkennbare Vorwurf liegt in der Doppelmoral, welche ihr aufgrund der mit ihren politischen Positionen im Widerspruch stehenden privaten steuerlichen Vorgehensweise angelastet wird. Dieser Vorwurf lässt sich indes nicht losgelöst von ihrer Funktion als Politikerin erheben und zielt unweigerlich auf ihre Geltung als Politikerin ab. Insbesondere im Wahlkampf muss es möglich sein, gegen eine politisch tätige Person den Vorwurf der Doppelmoral zu erheben. Dass der mit dem Aufkleber unter Berufung auf die legale Steueroptimierung erhobene Vorwurf der Doppelmoral die Beschwerdeführerin als Mensch geradezu verächtlich erscheinen liesse, ist nicht ersichtlich (E. 4.5.2). 

Dem Urteil kann ich nur zustimmen. Es ist aber unverständlich, dass es anonymisiert wurde. Das macht im vorliegenden Fall besonderes wenig Sinn, als der nicht anonymisierte Name des Anwalts der Beschwerdeführerin gewisse Rückschlüsse auf seine Klientin zulässt,