Aussichtslose Beschwerde führt zu Grundsatzentscheid

Einmal mehr qualifiziert das Bundesgericht eine Beschwerde als aussichtslos, publiziert seinen Entscheid aber nach komplexen Ausführungen über Kognition, Tat- und Rechtsfragen in der Amtlichen Sammlung (BGE 6B_1358/2016 vom 01.06.2017, Fünferbesetzung).

Publikationswürdig ist der Entscheid wahrscheinlich wegen der Feststellung, dass auch bei “in dubio pro duriore” zwischen Tat- und Rechtsfragen zu unterscheiden ist, was sich dann auf die Kognition des Bundesgerichts niederschlägt. Diese ist bei Rechtsfragen frei, konzediert aber den Vorinstanzen ein erhebliches Ermessen:

Bei der Anwendung des Grundsatzes “in dubio pro duriore” ist folglich wie bei der Unschuldsvermutung (Grundsatz “in dubio pro reo”; siehe dazu BGE 127 I 38 E. 2a S. 40 f.) zwischen der Tat- und der Rechtsfrage zu unterscheiden, d.h. der Anwendung des Grundsatzes als Beweiswürdigungsregel einerseits und als Rechtsregel andererseits. Wie die Beweise nach dem Grundsatz “in dubio pro duriore” zu würdigen sind und ob die Vorinstanz gestützt darauf einen Tatverdacht bzw. einen hinreichenden Tatverdacht verneinen durfte, prüft das Bundesgericht nur auf Willkür (vgl. etwa Urteile 6B_491/2016 vom 13. Dezember 2016 E. 1.2.1; 6B_531/2014 vom 26. Juni 2014 E. 3). Als Rechtsfrage einer freien Prüfung durch das Bundesgericht zugänglich ist demgegenüber, ob die Vorinstanz die Tragweite des Grundsatzes “in dubio pro duriore” richtig erfasst hat und vom korrekten rechtlichen Begriff des “hinreichenden Tatverdachts” im Sinne von Art. 319 Abs. 1 lit. a StPO ausging. Der Grundsatz “in dubio pro duriore” als Rechtsregel ist beispielsweise verletzt, wenn die Vorinstanz in ihren Erwägungen einen hinreichenden Tatverdacht bejaht, aber aus sachfremden Gründen in Überschreitung ihres Ermessens dennoch keine Anklage erhebt, wenn aus ihren Erwägungen hervorgeht, dass sie den Sachverhalt wie ein urteilendes Gericht frei nach dem Grundsatz “in dubio pro reo” feststellte oder wenn die Vorinstanz die rechtliche Tragweite des Grundsatzes “in dubio pro duriore” sonstwie verkannt hat. Dies prüft das Bundesgericht grundsätzlich frei, da Rechtsfrage. Bei der Frage, ob gestützt auf ein bestimmtes Beweisergebnis Anklage erhoben werden muss oder ob im Gegenteil in Anwendung von Art. 319 Abs. 1 lit. a StPO eine Einstellung ergehen darf, räumt das Bundesgericht den kantonalen Instanzen allerdings wiederum einen gewissen Ermessensspielraum ein, in den es nur mit Zurückhaltung eingreift (vgl. BGE 138 IV 186 E. 4.1 S. 190). Bei schweren Delikten stellt die Rechtsprechung tendenziell weniger hohe Anforderungen an den Tatverdacht (siehe oben E. 2.2.1) [E. 2.3.3].

Damit wird alles noch ein bisschen beliebiger, indem jedes Ergebnis begründbar wird. Umgekehrt dürfte es dann aber eigentlich auch keine aussichtslosen Beschwerden mehr geben, oder?