Von nicht jagdbaren, einseitigen Kronenhirschen und hinkenden Vergleichen

… sind nach der Jagdgesetzgebung des Kantons Graubünden angeblich nicht “jagdbar”. Das Gegenteil beweist nun aber eine Jägerin, die einen eben solchen erlegt und dabei vor der Schussabgabe die Jagdbarkeit des Hirschstiers nicht geprüft hatte. Dazu wäre sie nach Art. 15 Abs. 2 JG/GR verpflichtet gewesen. Das Bundesgericht bestätigt die Busse von CHF 300.00(BGer 6B_193/2011 vom 30.08.2011) und beruft sich auf die Legaldefinition:

Ein einseitiger, nicht jagdbarer Kronenhirsch liegt vor, wenn der Hirsch lediglich an einer Stange drei oder mehr Enden über der Mittelsprosse aufweist. Als Enden über der Mittelsprosse gelten Erhebungen von 3 cm und mehr über der Stangenoberfläche. Dabei wird die kürzeste Distanz von der Stangenoberfläche beim Endenansatz zur Endenspitze gemessen (E. 1)

Damit erwies sich der Hirschstier als nicht jagdbarer Kronenhirsch. Nicht einmal die extrem nahe liegende Analogie zum Tatbestand des Fahrens in angetrunkenem Zustand half der Jägerin:

Die Beschwerdeführerin vergleicht die Situation mit jener beim Tatbestand des Fahrens in angetrunkenem Zustand. Die Messung mit dem Alkometer genüge nicht, wenn das Ergebnis nach Abzug der Toleranz nicht eindeutig einen Wert im rechtskritischen Bereich anzeige (BGE 127 IV 172). Der Vergleich hinkt in verschiedener Hinsicht: Die Toleranzen, welche die Hersteller von Alkometern angeben, stützen sich auf allgemein anerkannte Werte. Demgegenüber stellt der unsichere Anzeigebereich gemäss NTB lediglich eine Parteibehauptung dar. Fahren in fahrunfähigem Zustand mit 0.8 Promille oder mehr wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe geahndet (Art. 91 Abs. 1 Satz 2 SVG). Bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Widerhandlung gegen Jagderlasse des Kantons Graubünden hingegen droht lediglich Busse bis Fr. 20’000.– (Art. 47 JG/GR). Entsprechend der geringeren Strafdrohung reduzieren sich auch die Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot (E. 1, Hervorhebungen durch mich).

Ja klar, nulla poena rigida sine lege (Art. 1 StGB).

Auch ein Privatgutachten über die Messmethode half der Jägerin übrigens nicht, Dieses kam zum Ergebnis, dass je nach Ausrichtung des Geweihs ein unsicherer Anzeigebereich von +/- 3.06 mm bestehe. Hier beruft sich das Bundesgericht auf seine Willkürkognition:

Die Länge eines Hornendes ist eine Tatsachenfeststellung, die das Bundesgericht lediglich auf Willkür hin überprüft. Ob man nun – wie die kantonalen Behörden und der Gutachter – von einer Hornlänge von 3.2 cm ausgeht, oder wie die Beschwerdeführerin eine solche von bloss 3.0 cm annimmt, in beiden Fällen ist – selbst nach der Messmethode der NTB – ein Resultat von 3 cm oder mehr durchaus möglich und folglich nicht willkürlich. Denn der “unsichere Anzeigebereich” kann die gemessene Länge nicht nur um 3.06 mm verkürzen, sondern auch verlängern (E. 2).

Das heisst allerdings auch, dass die Vorinstanz die Unschuldsvermutung nicht richtig angewendet hat. Sie hätte m.E. in dubio feststellen müssen, dass kein nicht einseitiger, nicht jagbarer Kronenhirsch vorlag.