1 Jahr ungerechtfertigte Haft

Ein in Italien lebender Mann befand sich 373 Tage lang in Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft, bevor er zweitinstanzlich vollumfänglich freigesprochen wurde. Vor Bundesgericht strittig war seitens des Beschuldigten die Höhe von Schadenersatz und Genugtuung. Das Bundesgericht (BGer 6B_111/2012 vom 15.05.2012) heisst die Beschwerde teilweise gut, weil die Vorinstanz beim Schadenersatz auf pauschale Schätzungen abstellte. Im Wesentlichen weist es die Beschwerde aber ab.

Die Kosten einer anwaltlichen Zweitmeinung werden als Schaden nicht anerkannt. Der Beschuldigte machte erfolglos geltend, das Strafverfahren sei kausal für die zusätzlichen Anwaltskosten gewesen. Sein erster amtlicher Verteidiger habe ihn zu einem falschen Geständnis überreden wollen. Der Beizug des zweiten Anwalts für taktische Fragen sei üblich und erforderlich gewesen. Das Bundesgericht fasst sich kurz, verfällt dabei aber in eine ex post-Betrachtung:

Für den Beizug eines weiteren Anwalts bestand kein Anlass. Der erste amtliche Verteidiger wurde nach dem Vertrauensverlust des Beschwerdeführers ausgewechselt. Somit bestand stets eine ordnungsgemässe Vertretung. Zog der Beschwerdeführer einen weiteren frei gewählten Verteidiger bei, ohne dass dies notwendig war, durfte die Vorinstanz den entsprechenden Betrag unberücksichtigt lassen. Die Auffassung, Rechtsanwalt D. sei für die angemessene Ausübung der Verfahrensrechte im Sinne von Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO nicht erforderlich, ist bundesrechtskonform (E. 3.2.3).

Bei der Genugtuung bestätigt das Bundesgericht die Anwendbarkeit eines degressiven Tagessatzes:

Die Vorinstanz wendet aufgrund der langen Haftdauer einen degressiven Tagesansatz an. Dies entspricht der konstanten Rechtsprechung (vgl. E. 4.2). Bei der Bemessung des weiteren immateriellen Schadens trägt die Vorinstanz den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung. Sie würdigt die schwere subjektive Betroffenheit des Beschwerdeführers, welche sich aus der geografischen Distanz zwischen Haftort und Wohnsitz, aus dem erschwerten Kontakt zu Familie und Freunden sowie aus dem gravierenden Tatvorwurf der Vergewaltigung ergibt. Die Bemessung der Genugtuung für weiteren immateriellen Schaden ist hinreichend begründet und erweist sich angesichts des vorinstanzlichen Ermessens als bundesrechtskonform (E. 4.3).

Die Genugtuung bleibt damit bei CHF 60,000.00 bzw. ca. CHF 160.00/Tag.