Berechenbare Zukunft

In einem neuen Bundesgerichtsentscheid (BGer 6B_796/2918 vom 16.10.2019) ist nachzulesen, wie präzis die Psychiatrie die Zukunft berechnen kann (und die Justiz auch noch davon überzeugen kann).

Es ging um einen Mann, der zu einer Freiheitsstrafe von 50 Monaten und einer Massnahme nach Art. 59 StGB verurteilt worden war. Der ausgestandene Freiheitsentzug überdauert die Strafe bereits um das Doppelte. Nach einem Gesuch um bedingte Entlassung hat die Vollzugsbehörde die Massnahme aufgehoben und die Verwahrung beantragt. Dazu brauchte sie ein neues Gutachten, das sich auch zum Rückfallrisiko geäussert hat:

Der Gutachter geht gestützt auf seine prognostischen Überlegungen und ausführlich erläuterten Feststellungen davon aus, dass die bestehende Persönlichkeitsstörung des Beschwerdeführers einen Risikofaktor für die Begehung zukünftiger Straftaten darstellt, wobei ähnliche Delikte zu erwarten sind, wie sie der Beschwerdeführer bereits begangen hat. Das Rückfallrisiko für ein Gewalt- bzw. Sexualdelikt taxiert der Gutachter auf 58 % innerhalb von fünf Jahren und auf 78 % innerhalb von acht Jahren. In der Gesamtbeurteilung ergibt sich damit ein ungünstiges Bild hinsichtlich des Rückfallrisikos für ähnliche Straftaten (E. 4.1, Hervorhebungen durch mich).

Selbst wenn man auf diese Prozentzahlen abstellen könnte, weiss doch wirklich niemand, was das genau bedeutet und wie hoch denn das Risiko sein darf, um eine Massnahme aufheben zu müssen. Reichen 49%? 58% bzw. 78% sind der Justiz jedenfalls zu gefährlich. Könnte

Gemäss Bundesgericht war es somit korrekt, die rechtskräftig aufgehobene Massnahmen wieder anzuordnen und sie auf drei Jahre zu beschränken, um dann endlich verwahren zu können:

Dabei ist durchaus in Betracht zu ziehen, dass der Beschwerdeführer im Falle des Feststehens seiner Unbehandelbarkeit keineswegs mit der Entlassung, sondern im Gegenteil mit einer Verwahrung zu rechnen hat, wie der Antrag des Amtes für Justizvollzug zeigt (E. 4.3).