Bundesgericht entscheidet pro Bodensatztheorie

In einem neuen Grundsatzentscheid zur Bestimmung der Einziehung/Ersatzforderung weist das Bundesgericht (II. Strafkammer) die „Anteils- oder Proportionalitätslösung“ zurück und entscheidet sich für eine m. E. modifizierte Bodensatztheorie (BGE 7B_65/2023 vom 05.12.2025, Publikation in der AS vorgesehen, Medienmitteilung).

Aus der Medienmitteilung:

Das Bundesgericht hat sich dazu bisher noch nicht geäussert. Im konkreten Fall hat die Bundesanwaltschaft die sogenannte „Anteils- oder Proportionalitätslösung“ angewendet. Bei dieser Methode werden die legalen Mittel durch die aus der Straftat stammenden Mittel im Verhältnis ihres Anteils zum Gesamtsaldo des Kontos kontaminiert. Jeder Verfügungsakt über Guthaben von diesem Konto gilt somit anteilsmässig als kontaminiert. Diese Methode ist abzulehnen, da sie geeignet ist, den gesamten Geldkreislauf und damit die legale Wirtschaft zu kontaminieren. Vorzuziehen ist im vorliegenden Fall das „Saldoprinzip in der Bodensatz- oder Sockelvariante“. Bei dieser Methode bilden die aus der Straftat herrührenden Mittel ein Depot beziehungsweise einen Sockel am Boden des Kontos. Soweit Kontentransaktionen diesen „Bodensatz“ nicht berühren, bleiben die illegalen Gelder einer Einziehung zugänglich. Das Bundesgericht legt gleichzeitig ein Korrektiv fest, um allenfalls negativen Auswirkungen dieser Methode zu begegnen: Nimmt der Konteninhaber im Wissen um die illegale Herkunft der Vermögenswerte eine Disposition vor, bildet der Transfer einen Akt der Geldwäscherei und gelten die davon betroffenen Gelder als kontaminiert. Im konkreten Fall wird die Vorinstanz die Ersatzforderung auf dieser Basis neu festlegen und dabei zu prüfen haben, ob das Korrektiv zur Anwendung gelangt.

Wenn ich es richtig verstehe heisst das: Wer den Bodensatz nicht berührt und damit das Einziehungssubstrat für die Strafbehörden zur Verfügung hält (Geldwäscherei ist Einziehungsvereitelung), macht sich weder (erneut) strafbar noch riskiert er eine Ersatzforderung. Wer umgekehrt den Bodensatz angreift, begeht Geldwäscherei und riskiert eine Ersatzforderung.

Der oben hervorgehobene Satz der Medienmitteilung belegt übrigens den ganzen Unsinn des Geldwäschereistrafrechts. Der „Geldkreislauf“ ist eigentlich weitestgehend ein Buchgeld- oder Forderungskreislauf, der zufolge der Denkfigur des schmutzigen Geldes über zwei Ebenen verfügt: einen sauberen Bodensatz und einen kontaminierten Rest. Niemand ist in der Lage, die beiden Ebenen auseinanderzuhalten. Aber die Figur ermöglicht die Überwachung aller Transaktionen und den staatlichen Zugriff auf die Guthaben. Sie kostet die Volkswirtschaften jährlich Milliarden, ohne dass auch nur ein einziges Problem gelöst wird.