Bundesgericht genehmigt Briefzensur

In einem heute online gestellten Urteil (BGer 1B_77/2008 vom 15.07.2008) weist das Bundesgericht die Laienbeschwerde eines Sicherheitshäftlings gegen die Nichtweiterleitung eines Briefes an einen Journalisten ab. Die Vorinstanz begründete die angefochtene Verfügung damit, dass der Inhalt des Briefs, der mit dem Strafverfahren des Häftlings in keinem Zusammenhang stand, allenfalls einen Ehrverletzungstatbestand erfülle.

Der Beschwerdeführer hat sich insbesondere auf Art. 13 Abs. 1 BV und auf Art. 8 EMRK berufen und hätte m.E. durchdringen müssen. Das Bundesgericht begründet seinen Entscheid wie folgt:

Die Rechtsprechung, wonach der freie Briefverkehr eines Häftlings allein wegen des ehrverletzenden Inhalts seiner Schreiben nicht beschränkt werden dürfe, bezieht sich auf Kritik gegenüber den Strafbehörden und dem Gefängnispersonal. Diese grosszügige Praxis wird damit gerechtfertigt, dem Inhaftierten müsse ein besonderes Bedürfnis zugebilligt werden, dem aufgestauten Unmut über seine persönliche Situation Luft zu machen; er dürfe daher unsachliche, unanständige, ungehörige oder ungebührliche Kritik an den Strafbehörden oder dem Gefängnispersonal äussern (vgl. BGE 119 Ia 71 E. 3d/cc S. 78 mit Hinweisen sowie die jüngeren Urteile des EGMR i.S. Fazil Ahmet Tamer gegen Türkei vom 5. Dezember 2006 [Nr. 6289/02], Ziff. 53; Ekinci und Akalin gegen Türkei vom 30. Januar 2007 [Nr. 77097/01], Ziff. 47; Vlasow gegen Russland vom 12. Juni 2008 [Nr. 78146/01], Ziff. 138). Darum geht es hier nicht (E. 2.3.1).
Der Beschwerdeführer strebt die Kompromittierung eines ehemaligen Vorgesetzten seiner früheren Lebenspartnerin an, indem er einem Journalisten Informationen über zwischenmenschliche Vorgänge liefern will, welche diese Frau betreffen. In der Beilage des Briefs hat der Beschwerdeführer geschrieben, dass die Frau oder andere Angestellte, die unter dem Manager gelitten haben sollen, diesen hätten zivil- oder strafrechtlich verfolgen können, dies aber offenbar nicht wollten. Der Manager habe jedoch mit seinem Verhalten auch das Vertrauen des Beschwerdeführers missbraucht. Bei einem derartigen Brief kann der Inhaftierte nicht in gleicher Weise wie bei Kritik an Behörden und Staatsangestellten einen Anspruch auf einen ehrenrührigen Briefinhalt erheben. Der für die Briefkontrolle zuständigen Behörde ist hier vielmehr ein gewisser Spielraum in der Interessenabwägung zuzugestehen. Unter Einbezug der Persönlichkeitsrechte der früheren Lebenspartnerin des Beschwerdeführers ist die Weiterleitung des Briefs verfassungsrechtlich nicht geboten. Der Vorinstanz lässt sich folglich nicht der Vorwurf machen, sie nehme mit der angefochtenen Massnahme einseitig Partei für den fraglichen Manager. Vielmehr durfte die Vorinstanz das Interesse, das Appellationsverfahren betreffend den Beschwerdeführer ohne allfällige zusätzliche strafrechtliche Weiterungen infolge des Briefversands abschliessen zu können, höher gewichten als dessen Anspruch auf freie Meinungsäusserung im Briefverkehr (E. 2.3.2).
Hätte das Bundesgericht Art. 36 BV durchgeprüft, anstatt die Prüfung nach Abs. 2 (überwiegendes öffentliches Interesse) abzubrechen, hätte es aufgrund der Verhältnismässigkeitsprüfung nach Abs. 3 die Beschwerde m.E. gutheissen müssen. Immerhin hat es dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt und damit auf die Erhebung von Kosten verzichtet.