Bundesgericht stützt bundesrechtswidriges Urteil

Es kommt vor, dass man erstmals mit dem Urteil des Berufungsgerichts erfährt, man habe einen Tatbestand erfüllt, des gar nicht angeklagt war. So geschehen in einem Fall vor dem Obergericht AG.

Das Bundesgericht hält dies in der zu beurteilenden Konstellation zwar für bundesrechtswidrig, aber nicht so gravierend bundesrechtswidrig, dass man einschreiten müsste (BGer 6B_941/2018 vom 06.03.2019, Fünferbesetzung).

Hingegen ist dem Beschwerdeführer beizupflichten, dass die Vorinstanz die beabsichtigte abweichende rechtliche Würdigung (in concreto den Tatbestand der üblen Nachrede nach Art. 173 Ziff. 1 StGB) gestützt auf Art. 344 StPO den Parteien hätte ankündigen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme einräumen müssen. Indem sie dies unterlassen hat, verletzt sie den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 344 StPO. Gleichzeitig ist aber festzuhalten, dass der Gesetzesverstoss geringfügig ist, weil sich der Beschwerdeführer zu sämtlichen angeklagten Sachverhaltselementen, für die er vor Vorinstanz verurteilt wurde, äussern (bzw. “Gehör verschaffen”) und die für seine Position relevanten Argumente vortragen konnte. Der Gegenstand des Vorwurfs blieb vor Vorinstanz bis auf das entfallene Element “wider besseres Wissen” derselbe. Dass der Beschwerdeführer seine Stellungnahme zum Tatvorwurf im Unwissen um die beabsichtigte andere rechtliche Qualifikation abgab, ändert nichts daran, dass er alle ihm vorgeworfenen Sachverhaltselemente kannte und sich hinreichend verteidigen konnte. Eine Bekanntgabe der abweichenden rechtlichen Würdigung hätte denn auch nichts an der Verteidigungsstrategie des Beschwerdeführers geändert, der seine Täterschaft während des gesamten Verfahrens durchwegs bestritten hat. Insoweit kann die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vorliegend ausnahmsweise nicht zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils führen, da dies einem prozessualen Leerlauf gleichkäme. Vielmehr muss es mit der Feststellung der Verletzung des Gehörsanspruchs sein Bewenden haben (E. 1.3.4).

Bloss geringfügige Rechtsverletzungen sind also nicht zu korrigieren. Es sind im Ergebnis gar keine Rechtsverletzungen. Dem trägt das Bundesgericht allein dadurch Rechnung, dass es die eigenen Gerichtskosten, die es dem Beschwerdeführer vollumfänglich auferlegt, um CHF 1,000.00 reduziert. Auch wenn die Begründung im konkreten Fall durchaus nachvollziehbar wäre, bleibt es bei einer höchstgerichtlich akzeptierten Rechtsverletzung.