Höchstrichterliche Anwaltsschelte

Das Bundesgericht wirft einem Beschwerdeführer in einem massnahmenrechtlichen Beschwerdeverfahren vor, er fordere, was er sabotiere (BGer 6B_421/2019 vom 11.07.2019).

Die Beschwerde richtete sich gegen die Versetzung in eine Sicherheitszelle mit Kameraaufschaltung für vorerst 10 Tage, nachdem der Massnahmenpatient in seiner Zelle ein T-Shirt angezündet und mit schweren Straftaten gedroht hatte. Mit seiner Beschwerde beantragte er u.a. die Feststellung,

dass die Arreststrafe vom 17. Oktober 2018 unter Kameraaufschaltung rechtswidrig sei und die Sanktion Art. 3, Art. 5 Ziff. 1 lit. a und lit. e EMRK verletze.

Das Bundesgericht hält das für abwegig. Es handle sich nicht um eine Disziplinierung, sondern um eine Sicherungsmassnahme, die das kantonale Vollzugsrecht vorsehe. Zudem sei die Isolationshaft (das Bundesgericht nennt diesen Begriff nicht) in Art. 90 Abs. 1 lit. b StGB vorgesehen.

In der Folge dreht das Bundesgericht den Spiess um und verleiht seinem Unmut mit teilweise doch sehr erstaunlichen Ausführungen Ausdruck. Hier ein paar Zitate, die sich v.a. auch gegen den Anwalt richten. Dass er den EGMR aufgerufen habe, werde seinen Klienten nicht weiterbringen:

Der Beschwerdeführer wurde darauf aufmerksam gemacht, dass die durchgehend verfolgte Konfliktstrategie gegen die institutionelle forensische Psychiatrie den Aufbau eines optimalen Therapieverhältnisses hindert (Urteil 6B_214/2019 vom 15. Mai 2019 E. 7). Der Rechtsvertreter wurde in einem weiteren, von ihm vertretenen Kasus erneut auch darauf aufmerksam gemacht, dass die Wahl des Massnahmenorts als Vollzugsmodalität in der Kompetenz der Vollzugsbehörde liegt; in jener Rechtssache ging die behandelnde Klinik das von anderen Institutionen nicht akzeptierte Sicherheitsrisiko ein, die Massnahmenbedürftige trotz Bombendrohungen und Brandstiftungen aufzunehmen (Urteil 6B_1026/2018 vom 1. Mai 2019 E. 1.5). Diese Schwierigkeit besteht angesichts seines Verhaltens ebenso beim Beschwerdeführer, und zwar umso mehr als vorsätzliche Tötungen ein Ausschlusskriterium für die Aufnahme in bestimmten forensischen Kliniken darstellen können (Urteil 6B_15/2019 vom 15. Mai 2019 E. 2.11) [E. 2.4].

Es sind zahlreiche Disziplinarmassnahmen und Kriseninterventionen als gerichtsnotorisch zu verzeichnen (Urteil 6B_15/2019 vom 15. Mai 2019 E. 2.6 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer verharrt in seinem Kampf gegen die stationäre therapeutische Massnahme. Es ist nicht erkennbar, wie in diesem Klima der Einsichtslosigkeit und Kooperationsverweigerung ein irgendwie gedeihliches Therapieverhältnis sollte aufgebaut werden können. Auch die durch den Rechtsvertreter angestrebte Verurteilung der Schweiz durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wird den Beschwerdeführer in seiner prekären sozio-physico-psychischen Situation um keinen Schritt weiterbringen können. Dies bedürfte vielmehr der Einsicht in die Notwendigkeit eines adäquaten Einlassens auf ein therapeutisches Setting, um zunächst erst einmal die erforderliche minimale Vertrauensbasis aufzubauen. Eine derartige Verhaltensänderung erscheint beim massnahmen- und betreuungsbedürftigen Beschwerdeführer aktuell kaum erwartbar. Das in den bisherigen Verfahren festgestellte Verhalten lässt sich nur als destruktiv für eine jede Therapiearbeit bezeichnen. Dieses selbstschädigende Verhalten wird erfahrungsgemäss längerfristig zu einer Chronifizierung und Aggravation der bestehenden Leiden führen und die Lebensqualität des Beschwerdeführers unnötig herabsetzen (E. 2.8).  

Die Problematik ist seinem Verhalten geschuldet und nicht einem strukturellen Mangel an geeigneten Einrichtungen (Beschwerde S. 26) und auch nicht einem gegen den Beschwerdeführer gerichteten Willkürregime, einer in fragwürdiger Interessenvertretung (Art. 128 StPO) masslos vorgetragenen Kritik (oben E. 2.2 in fine, 2.4, 2.6). Statt mit der Austarierung einer zweckmässigen Therapiearbeit sind die Vollzugsverantwortlichen mit einer Sicherheitsproblematik, der Aufrechterhaltung der Anstaltsordnung und mit Rechtsstreitigkeiten befasst. Das ist nicht Sinn und Zweck der angeordneten therapeutischen Massnahme, die Insassen zugute kommen soll, welche gewillt sind, bei den Sozialisierungsbemühungen und den Entlassungsvorbereitungen aktiv mitzuwirken (Art. 75 Abs. 4 StGB) [E. 2.9].  

Damit wären wir bei der Frage, was in einem solchen Fall Interessenvertretung i.S.v. Art. 128 StPO ist (falls diese Bestimmung im Verwaltungsverfahren überhaupt anwendbar ist). Wie vertritt man psychisch schwer gestörte Menschen, die sich einer Psychotherapie widersetzen, liebes Bundesgericht? Wird dem Anwalt jetzt die weitere Vertretung seines Klienten verboten? Wer ist der nächste sein?