Keine strafrechtliche Kausalhaftung nach SVG

Auch nach SVG macht sich nur strafbar, wer schuldig ist. Darauf weist das Bundesgericht in einem neuen Entscheid zum Nichtbeherrschen des Fahrzeugs hin, der in Fünferbesetzung erging (BGer 6B_351/2017 vom 01.03.2018).

Die Vorinstanz warf dem Beschwerdeführer vor, dass er eine Kollision hätte verhindern können, wenn er schneller und anders reagiert hätte, nämlich wenn er (bei Tempo 50) einen Meter früher reagiert und auf ein Ausweichmannöver verzichtet hätte.

Das Nichtbeherrschen des Fahrzeugs ist nur dann strafbar, wenn es auf einem Fahrfehler oder einer Fehlreaktion des Lenkers beruht, mithin schuldhaft ist. Vom Fahrzeuglenker wird grundsätzlich eine richtige, situationsadäquate Reaktion verlangt. Doch darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass der Fahrzeuglenker im Strassenverkehr überraschend in eine kritische Situation kommen kann, in der Fehlentscheide möglich und verständlich sind. Unvermutet auftretende Gefahren stellen oft hohe und höchste Ansprüche an die Reaktionsfähigkeit der Betroffenen, weshalb dem Fahrzeugführer nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, wenn sich seine Reaktion im Nachhinein, nach ruhigem Überlegen und Abwägen, allenfalls nach Durchführung einer technischen Expertise, als nicht die beste aller denkbaren Reaktionsweisen erweist, jedenfalls so lange nicht, als die getroffene Reaktion verständlich und nicht als abwegig oder gar kopflos erscheint (Urteil 1C_361/2014 vom 26. Januar 2015 E. 3.1 mit Hinweisen). Die Vorinstanz wirft dem Beschwerdeführer vor, dass er nicht eine Vollbremsung einleitete, als er den vom Beschwerdegegner gelenkten Personenwagen auf seiner Fahrbahnseite sah. Für den Durchschnittsfahrer, der unvermittelt mit einer Gefahrensituation konfrontiert ist, stellt das Bremsen zwar die naheliegendste Reaktion dar, weshalb er oft auch bremst, wenn diese Massnahme keineswegs situationsgerecht ist und nicht zum Ziel führt, etwa wenn die Gefahr durch Ausweichen gebannt werden könnte (vgl. BGE 115 IV 248 E. 4.a mit Hinweis). Sodann ist nicht jedes unzweckmässige Handeln entschuldbar. Das Bundesgericht verlangt, dass die ergriffene Massnahme und diejenige, welche ex post als die zweckmässigere erscheint, annähernd gleichwertig sein müssen und dass der Fahrzeugführer deren unterschiedliche Wirksamkeit nur deshalb nicht erkannte, weil die plötzlich eingetretene Situation eine augenblickliche Entscheidung erforderte. Wo eine Vorkehr im Vergleich zu andern sich aber derart aufdrängt, dass sie auch im Falle der Notwendigkeit sehr rascher Reaktion als die näherliegende und angemessenere erkannt werden kann, ist es als Fehler anzurechnen, wenn trotzdem eine weniger geeignete getroffen wird (BGE 83 IV 84; Urteile 1C_341/2017 vom 2. Oktober 2017 E. 2.3; 1C_361/2014 vom 26. Januar 2015 E. 3.1; je mit Hinweisen) [E. 1.4, Hervorhebungen durch mich].