Konfrontationsanspruch trotz Konfrontationsgelegenheit verletzt

Die zuständigen zürcherischen Gerichte haben gemäss einem heute publizierten Entscheid des Bundesgerichts den Konfrontationsanspruch eines Beschuldigten verletzt (BGer 6B_1067/2023 vom 02.04.2025, Fünferbesetzung). Dieser hatte zwar Gelegenheit, die ihn belastenden Aussagen vor Gericht auf die Probe zu stellen. Der Belastungszeuge zog es aber vor, zu schweigen und spielte dem Beschuldigten in die Karten:

Der Beschwerdeführer hatte bis zur Konfrontationseinvernahme vom 27. Januar 2020 keine Gelegenheit, die ihn belastenden Aussagen von C. auf die Probe zu stellen. Anlässlich der Konfrontationseinvernahme und erneut vor dem Bezirksgericht Zürich beantwortete C. alsdann keine Fragen. Der Konfrontationsanspruch war damit zwar formal, nicht aber in der Sache gewahrt, denn eine wirksame Konfrontation hätte vorausgesetzt, dass sich C. auf die Befragung einlässt und sich erneut äussert. Somit wurde der Konfrontationsanspruch des Beschwerdeführers durch die Aussageverweigerung von C. verletzt (vgl. Urteile 6B_14/2021 vom 28. Juli 2021 E. 1.3.4; 6B_839/2013 vom 28. Oktober 2014 E. 1.4.2) [E. 3.4.1]. 

Damit muss geprüft werden, ob die ausgebliebene Konfrontation kompensiert werden konnte, wozu sich das Obergericht ZH folgerichtig nicht geäussert hatte. Hier aber die Erwägungen zur Kompensationsmöglichkeit:

Damit stellt sich die Frage nach den Konsequenzen der nicht wirksamen Konfrontation. Da C. im Verfahren gegen den Beschwerdeführer die prozessuale Rolle einer Auskunftsperson nach Art. 178 lit. f StPO hatte (vgl. BGE 141 IV 220 E. 4.5), war er nicht zur Aussage verpflichtet (Art. 180 Abs. 1 StPO). Seine Weigerung, sich erneut zu äussern, stellt daher einen sachlichen Grund für die unterbliebene Konfrontation dar (vgl. Urteile des EGMR Vidgen, a.a.O., § 47; Hümmer gegen Deutschland vom 19. Juli 2012 [Nr. 26171/07] § 41; Unterpertinger gegen Österreich vom 24. November 1986 [Nr. 9120/80] § 30). Zu prüfen bleibt, ob hinreichende Kompensationsfaktoren vorliegen und das Verfahren insgesamt als fair bezeichnet werden kann. Da das angefochtene Urteil zu Unrecht von einer wirksamen Konfrontation ausgeht, äussert es sich nicht zu diesen Aspekten. Des Weiteren ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil nicht, ob das vorinstanzliche Beweisergebnis auch ohne Berücksichtigung der Aussagen von C. Bestand haben könnte. Das angefochtene Urteil entspricht aus diesen Gründen nicht den Vorgaben von Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG (vgl. Urteil 6B_397/2022 vom 19. April 2023 E. 2.6). Es ist aufzuheben. Die Sache ist an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird zu prüfen haben, wie sich die Unwirksamkeit der Konfrontation auf die tatsächlichen Grundlagen des angefochtenen Urteils auswirkt. Die Rückweisung erfolgt prozessualiter; der Entscheid in der Hauptsache wird damit nicht präjudiziert, sodass auf die Einholung von Vernehmlassungen verzichtet werden kann (Urteile 6B_506/2024 vom 11. September 2024 E. 2; 6B_387/2023 vom 21. Juni 2023 E. 5.1) [E. 3.4.3].

Der Fall enthält auch noch Fragen zum Zeitpunkt, wann eine beschuldigte Person eine beschuldigte Person sei und wann eine notwendige Verteidigung erkennbar ist. Hier kommt das Bundesgericht zu Ergebnissen, die mangels Kenntnis der Akten nicht überprüfbar, aber mit einiger Wahrscheinlichkeit unzutreffend sind.

Ab wann ist man beschuldigte Person?

Aus dem zeitlichen Ablauf wird deutlich, dass der Beschwerdeführer am 27. März 2018 nicht als beschuldigte Person, sondern als Vertreter der B. AG befragt wurde. Nach damaligem Ermittlungsstand bestand – gestützt auf die sichergestellten Einzahlungsscheine – ein lockerer Bezug zu dieser Unternehmung, hingegen kein konkreter Bezug zum Beschwerdeführer als natürliche Person. Erst die weiteren Abklärungen förderten einen allenfalls strafrechtlich relevanten Geldfluss zwischen C. und der B. AG bzw. dem Beschwerdeführer zutage. Im hier strittigen Zeitpunkt (bis Ende März 2018) war die strafprozessuale Rollenverteilung noch nicht derart manifest, dass der Beschwerdeführer bereits als beschuldigte Person hätte qualifiziert und belehrt werden müssen. Dessen Rügen sind insoweit unbegründet (E. 1.4).

Wie „manifest“ muss es denn angesichts von Art. 111 StPO sein?

Zum Zeitpunkt der Erkennbarkeit der notwendigen Verteidigung:

Mit Blick auf den damaligen Ermittlungsstand kann überdies nicht gesagt werden, innerhalb des von Geldstrafe bis Freiheitsstrafe von drei Jahren reichenden Grundtatbestands von Art. 305bis Ziff.1 StGB habe erkennbar die Möglichkeit einer Freiheitsstrafe bestanden. Diese Möglichkeit manifestierte sich erst im Verlauf der Befragung vom 2. Mai 2018 und konkret gestützt auf die Angaben des Beschwerdeführers zur Höhe der Zahlungen von C. Die Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung ergaben sich mit anderen Worten gestützt auf die ersten Ergebnisse der Einvernahme. Diese wurde alsdann korrekt unterbrochen und es wurde dem Beschwerdeführer eine Verteidigung bestellt. Somit wurde Art. 130 lit. b StPO nicht verletzt (E. 2.3).