Kristallnacht-Twitterer: Keine amtliche Verteidigung

In einem Ehrverletzungsverfahren hat der Beschuldigte grundsätzlich auch dann keinen Anspruch auf amtliche Verteidigung, wenn der Strafantragsteller anwaltlich vertreten ist.

Das Bundesgericht bestätigt diese Auffassung der Behörden des Kantons Zürich in einem weiteren Verfahren gegen den “Kristallnacht-Twitterer”(BGer 1B_219/2016 vom 01.09.2016). Die Waffengleichheit verliert ihre Bedeutung offenbar, wenn der Staatsanwalt auch die entlastenden Umstände untersuchen muss. Damit hat der nicht u.U. verteidigte Beschuldigte gleich zwei professionelle Gegner, den Vertreter des Privatklägers und den Staatsanwalt:

Es mag zwar durchaus sein, dass er durch den von seinem “Kristallnacht-Tweet” und das anschliessende Strafverfahren ausgelösten Medienrummel – er sieht sich als Opfer eines “Shitstorms” – in eine persönliche und berufliche Krise geriet. Das hindert ihn allerdings nicht daran, seinen Blog www.dailytalk.ch, mit dem er sich in Schwierigkeiten brachte, weiterzuführen (aktuell: “Ja zur Selbstbestimmungsinitiative” vom 12. August 2016). Das ist ihm zwar unbenommen, lässt sich aber kaum mit seiner Behauptung vereinbaren, er sei wegen der “massenmedialen Hetze” gegen ihn quasi handlungsunfähig und nicht in der Lage, seine Interessen im Strafverfahren selber wahrzunehmen. Zutreffend ist zwar, dass sich unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit rechtfertigen kann, einem Beschuldigten einen amtlichen Verteidiger beizugeben, wenn die Gegenpartei – was vorliegend zutrifft – anwaltlich vertreten ist. Dieser Anspruch gilt aber nicht absolut, und der Verweis auf das Urteil 1P.40/2000 vom 3. April 2000 ist insofern nicht einschlägig, als sich dieses auf ein altrechtliches Privatstrafverfahren bezieht, welches für die Parteien deutlich schwieriger zu führen war als ein aktuelles Strafverfahren nach StPO, bei welchem die Verfahrensleitung bei der Staatsanwaltschaft liegt, welche den Sachverhalt von Amtes wegen zu klären hat und verpflichtet ist, belastende und entlastende Umstände gleichermassen zu untersuchen (Art. 6 StPO) [E. 2.4].

Mit diesem Argument könnte man freilich auch die Verteidigung als Institut grundsätzlich in Frage stellen.