Solothurn und seine Richter

In einem aktuellen Entscheid musste sich das Bundesgericht wieder einmal mit Richterinnen und Richtern befassen, die eigentlich gar keine sein dürfen (BGer 7B_195/2023 vom 15.01.2024). Es hat eine Beschwerde betreffend Ausstands gegen einen angestellten Richter abgewiesen, der am selben Gericht eigentlich Gerichtsschreiber ist. Die eigentlich selbst befangene Vorinstanz war – gemäss Bundesgericht zu Recht – nicht auf das Ausstandsgesuch eingetreten, denn ob es sich beim abgelehnten Richter um einen Richter im Sinne von Art. 30 BV handle oder nicht, sei keine Ausstandsfrage. So kann man die unbequemen Fragen natürlich auch umgehen.

Die Zustände in der solothurnischen Justiz sind aber ohnehin bemerkenswert. Die Volkswahl der erstinstanzlichen Richter erfolgt immer öfter in stillen Wahlen und an den erstinstanzlichen Gerichten werden laufend Stellvertreter eingesetzt (Haftrichter, die von Gesetzes wegen für die vom Volk (still) gewählten Präsidentinnen einspringen, und Gerichtsschreiber, die als a.o. Gerichtspräsidenten “angestellt” werden). Dafür gibt es ordentlich gewählte Richter, die man im Gerichtssaal kaum je sieht. Oberrichter werden primär Juristen ohne jede richterliche Erfahrung. Dasselbe gilt für Ersatzoberrichter. Unter ihnen finden sich Gerichtsschreiberinnen, Oberstaatsanwältinnen aus anderen Kantonen, Rechtsanwälte und Jugendstaatsanwälte, alle gewählt durch den Kantonsrat.

Als Extraneus kann ich mich natürlich nicht über die Qualität der Rechtsprechung durch der einzelnen gewählten oder angestellten Personen äussern. Als Staatsbürger bezweifle ich aber, dass das alles mit Art. 30 Abs. 1 BV in Einklang zu bringen ist.

Sicher ist m.E., dass Ersatzrichter nach der Kantonsverfassung vom Kantonsrat zu wählen wären (Art. 75 Abs. 1 lit. b KV). Daran ändert nichts, dass die GO verfassungswidrige Bestimmungen über die Anstellung ausserordentlicher Stellvertretungen enthält (§§ 101 ff. GO).

Das gröbste No-Go sind sicher die befristeten Anstellungen von Gerichtsschreiberinnen als erstinstanzliche Richter durch die Gerichtsverwaltung, die dann bisweilen sogar am selben Gericht sowohl Richter als auch Schreiber sind und zudem auch noch in Rechtsgebieten eingesetzt werden, in denen sie auch als Gerichtsschreiberinnen keine Erfahrung haben. Ich kann mich täuschen, aber diese Anstellungen werden nicht einmal öffentlich ausgeschrieben. Man stellt lieber das eigene Personal an.