Verfahren gegen Journalistin eingestellt – durch das Bundesgericht

Im Kanton LU ist eine Journalistin wegen Hausfriedensbruchs verurteilt worden. die über eine Hausbesetzung berichtet und sich dabei auch im besetzten Haus aufgehalten hatte. Das Bundesgericht stellt das Strafverfahren in einem Grundsatzentscheid ein, weil der Strafantrag die Handlungen der Journalistin nicht miterfasste (BGE 6B_1214/2020 vom 25.03.2021, Publikation in der AS vorgesehen).

Im vorliegend zu beurteilenden Fall wurde die durch die “Gruppe C. ” initiierte und organisierte Hausbesetzung als Lebenssachverhalt zur Anzeige gebracht. Die Beschwerdeführerin hat sich jedoch an diesem Dauerdelikt nach materiell-rechtlichen Grundsätzen nicht beteiligt. Sie hat die fragliche Liegenschaft nicht mit dem Vorsatz betreten, an der Hausbesetzung der “Gruppe C. ” als Mittäterin massgeblich mitzuwirken oder als Gehilfin akzessorisch daran teilzunehmen. Wie die Vorinstanz verbindlich festhält, hat die Beschwerdeführerin “das fremde Grundstück und das darauf stehende Haus an der U.strasse mit der Absicht [betreten], über die Besetzung durch die “Gruppe C. ” eine Reportage zu schreiben, was sie in der Folge auch tat”. Selbst wenn sie ihrerseits durch das Betreten des Grundstücks und des Hauses einen Hausfriedensbruch begangen haben sollte, würde es sich um eine eigenständige (Neben-) Tat und nicht um eine strafrechtlich zurechenbare Beteiligung am Hausfriedensbruch der “Gruppe C. ” handeln (vgl. hierzu auch: Christof Riedo, Der Strafantrag, S. 550). Dass die Beschwerdeführerin neben dem Hausfriedensbruch in Form des Betretens gegen den Willen der Beschwerdegegnerin 2 die Besetzung durch die “Gruppe C. ” unterstützen oder hieran teilnehmen wollte, wird ihr im Übrigen auch in der Anklageschrift nicht vorgeworfen. Damit liegt ihr gegenüber jedoch in Bezug auf den ihr gemachten strafrechtlichen Vorwurf kein Strafantrag vor, da ihr ein allfällig strafbares Verhalten der Personen der “Gruppe C. “, zu dem sich der angefochtene Entscheid auch nicht (explizit) äussert, nicht zugerechnet werden kann. Ob, wie die Vorinstanz erwägt, neben dem im Strafantrag einzig als unbekannte Täterschaft bezeichneten Besetzerkollektiv sprachlich auch sämtliche Personen erfasst sind, die allenfalls den Tatbestand des Hausfriedensbruchs durch andere Tathandlungen als die Hausbesetzung erfüllt haben, kann somit offenbleiben (E. 1.4, Hervorhebungen durch mich). 

Nun hatte sich die Vorinstanz aber auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Strafantrag bei Dauerdelikten berufen. Diese wird nun im zitierten Entscheid wie folgt formuliert:

Der Strafantrag gemäss Art. 30 StGB ist die bedingungslose Willenserklärung des Verletzten, es solle für einen bestimmten Sachverhalt Strafverfolgung stattfinden (BGE 128 IV 81 E. 2a). Da eine Strafverfolgung immer nur für bereits begangene Handlungen/Lebenssachverhalte beantragt werden kann, ist ein gestellter Antrag allein in Bezug auf diese wirksam (Christof Riedo, in: Basler Kommentar, 4. Aufl., 2019, N. 100 zu Art. 30 StGB). Eine vorsorgliche Antragstellung für allfällige spätere Straftaten ist unzulässig – der Strafantrag wirkt grundsätzlich nur für die Vergangenheit (vgl. BGE 126 IV 131 E. 2a; 121 IV 272 E. 2a; 118 IV 325 E. 2b). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung erstrecken sich jedoch bei einem Dauerdelikt wie dem Hausfriedensbruch nach Art. 186 StGB die Wirkungen des Strafantrags grundsätzlich auch auf angezeigtes Verhalten, das über den Strafantrag hinaus andauert. So werden alle Beteiligten vom Strafantrag miterfasst, die erst nach dessen Stellung am fortbestehenden Hausfriedensbruch teilnehmen (BGE 128 IV 81 E. 2: “Lorsqu’une plainte pénale est déposée alors que le délit continu est toujours en cours de réalisation, les effets de la plainte s’étendent en principe aussi aux faits dénoncés qui perdurent après le dépôt de la plainte. La plainte vaut alors également à l’égard de tout participant qui viendrait, postérieurement au dépôt de plainte, prendre part au délit continu”). Voraussetzung ist, dass den später hinzukommenden Personen das angezeigte (strafbare) Verhalten nach materiell-rechtlichen Beteiligungsformen zugerechnet werden kann. Erfasst sind an der Ausführung der Haupttat massgebend zusammenwirkende Mittäter (wenn auch zeitlich versetzt) oder aber an der Haupttat nachträglich akzessorisch teilnehmende Gehilfen hinsichtlich ein und derselben Hausbesetzung (nichts anderes ergibt sich aus der Formulierung “participant, qui viendrait […]  prendre part au délit continu “), ist es doch dieses Dauerdelikt, das vom Strafantrag gedeckt ist (in diesem Sinne auch die Ausführungen bei Christof Riedo, Der Strafantrag, Diss. Fribourg 2004, S. 550: “Soweit also die Zusammensetzung der Täterschaft bei einem Dauerdelikt wechselt, muss der Strafantrag gestützt auf Art. 30 StGB zwingend auch das künftige deliktische Verhalten der neu hinzu gekommenen Tatbeteiligten erfassen”; auch dieser Autor spricht mithin von der gleichen Täter- bzw. Teilnehmerschaft bezüglich des nämlichen Deliktes, nicht aber von neuen [Neben-]Tätern mit eigenständigem Vorsatz) [E. 1.3].

Daraus schliesse ich, dass die Journalistin verurteilt worden wäre, wenn rechtzeitig und explizit gegen sie ein Strafantrag nachgereicht worden wäre. Darauf hat die Antragsberechtigte aber offenbar verzichtet.