Zur Interessenabwägung bei Landesverweisung

Wer einen ausländischen Staatsangehörigen des Landes verweist, muss dies wenigstens hinreichend begründen. Diesen “Auftrag” erteilt das Bundesgericht dem Obergericht des Kantons Bern in einem heute publizierten Urteil (BGer 6B_1179/2021 vom 05.05.2023):

Zwar hält die Vorinstanz fest, gemäss Angaben des Beschwerdeführers habe seine Ehefrau eine gute Beziehung zu seinen Eltern, die in Costa Rica wohnen (…). Alleine daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, der Ehefrau des Beschwerdeführers sei es zumutbar, mit ihm und der gemeinsamen Tochter nach Costa Rica zu ziehen. Die Vorinstanz bezieht den Umstand, dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau das gemeinsame Sorgerecht über die minderjährige Tochter haben, die über das Schweizer Bürgerrecht verfügt (…), nicht in ihre Beurteilung ein (…). Bei intakten familiären Verhältnissen mit gemeinsamem Sorge- und Obhutsrecht der Eltern führt die Landesverweisung zum Abbruch der eng gelebten Beziehung des Kindes zu einem Elternteil, wenn dem anderen, ebenfalls sorge- und obhutsberechtigten Elternteil ein Wegzug in das Heimatland des verurteilten Elternteils nicht zumutbar ist (…). 

Nach dem Gesagten nimmt die Vorinstanz keine rechtsgenügende Interessenabwägung vor und kommt ihrer Begründungspflicht i.S.v. Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG nicht genügend nach. Indem es im vorinstanzlichen Urteil an Feststellungen bezüglich der Zumutbarkeit eines allfälligen Wegzugs der Ehefrau des Beschwerdeführers und dessen Tochter nach Costa Rica mangelt, lässt sich die vorinstanzliche Anordnung der Landesverweisung nicht auf seine Richtigkeit überprüfen. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (E. 6.8.3, Hervorhebungen durch mich). 

Die Sache ist damit aber nicht vom Tisch. Das Vorinstanz wird aber wie eingangs erwähnt angewiesen,  eine “Interessenabwägung nach Art. 66a Abs. 2 StGB” durchzuführen.