Zur Schockwirkung unbedingter Geldstrafen
Das Bundesgericht korrigiert in einer von mir gern kritisierten a.o. Besetzung einen Widerspruch in einem Urteil des Obergerichts GR (BGer 6B_566/2025 vom 18.11.2025):
[Die Vorinstanz] scheint den Widerruf der Vorstrafen damit zu begründen, dass davon nur abgesehen werden könnte, wenn die vorliegend zu verhängende Strafe unbedingt ausgesprochen würde. Damit scheint die Vorinstanz anzunehmen, dass der Warn- und Schockwirkung mit einer unbedingten Geldstrafe Genüge getan wäre (oben E. 3.2.2). Indes verhängt sie genau eine solche unbedingte Geldstrafe. Insofern hätte die Vorinstanz – ihrer eigenen Argumentation folgend – auf den Widerruf der Vorstrafen verzichten müssen. Andernfalls wäre zu begründen, weshalb die Vorstrafen trotz der unbedingten Geldstrafe zu widerrufen sind. Die vorinstanzliche Begründung ist somit nicht nachvollziehbar.
Dem Beschwerdeführer ist sodann zuzustimmen, dass der Widerruf der Vorstrafe aus dem Jahr 2016 nicht ohne Weiteres angemessen erscheint, obwohl er formal noch möglich war. Die Vorinstanz äussert sich hierzu nicht. Sie kommt insoweit ihrer Begründungspflicht nicht nach. Der Vorstrafe von 2016 (13 Monate Freiheitsstrafe) lag ein Verstoss gegen das Strassenverkehrsgesetz zugrunde. Ein Zusammenhang mit der hier beurteilten Straftat gegen das Betäubungsmittelgesetz besteht insoweit – im Unterschied zur Vorstrafe von 2021 – nicht. Ferner sind seit der ersten Vorstrafe fast zehn Jahre vergangen, sodass das Strafbedürfnis erheblich zu relativieren ist. Ausserdem war der Beschwerdeführer damals noch keine 20 Jahre alt und er hat sich mit Bezug auf SVG-Delikte, soweit ersichtlich, seither nichts mehr zuschulden kommen lassen. Insoweit kann daher, anders als für Betäubungsmitteldelikte, nicht von einer eigentlichen Schlechtprognose gesprochen werden. Ferner attestiert auch die Vorinstanz dem Beschwerdeführer zumindest eine positive Entwicklung und ehrliche Bemühungen, beruflich Fuss zu fassen, wenngleich sie noch von keiner gefestigten Situation ausgeht. Zu berücksichtigen ist schliesslich, dass der Widerruf gerade einmal knapp drei Wochen nach der Berufungsverhandlung nicht mehr möglich gewesen wäre (Art. 46 Abs. 5 StGB). [E. 3.3.2, Hervorhebungen durch mich]
Die strafrechtlichen Abteilungen des Bundesgerichts sind demnach nach wie vor derart überlastet, sodass mitunter Bundesrichter Rüedi aus der I. Zivilrechtlichen Abteilung regelmässig aushelfen muss. Irgendwann ist man offenbar an dem Punkt angelangt, dass nicht einfach noch mehr Gerichtsschreiberinnen und Gerichtsschreiber-Prozente pro Richterstelle geschaffen werden können.
Ich frage mich warum… Crazy… Ganz als ob gewisse Akteure in Social Medias dazu anraten