Fast vergessen: der Strafprozess gegen die Hells Angels

Dank eines Artikels im Tages-Anzeiger erfahren wir wieder einmal über den aktuellen Stand des alten Roschacher-Profilierungsversuchsverfahrens gegen Mitglieder der Hells Angels MC Zürich u.a. wegen OK-Verdachts (s. meine früheren Beiträge). Bedenklich stimmen die abgedruckten Insiderinformationen aus der Bundesanwaltschaft:

[Der Bundesanwalt] habe vor, sagen Insider – koste es, was es wolle – die Hells Angels wegen organisierter Kriminalität (OK) anklagen zu können. «Beyeler setzt enormen Druck auf», bestätigt ein Mitglied der Bundesanwaltschaft, «etwas anderes als eine Anklage wegen organisierter Kriminalität darf es nicht geben. Man will nicht wahrhaben, dass der Fall viel kleiner ist, als man sich ihn erträumt hat.»

Solches ist ja zumindest in der Theorie nicht die Aufgabe eines Strafverfolgers, aber die Theorie kümmert angesichts ihrer Macht verständlicherweise nur wenige Strafverfolger. Der Einfluss des Bundesanwalts dürfte allerdings zur Zeit beschränkt sein, denn der Fall zwängt sich seit Jahren durch das Nadelöhr des eidg. Untersuchungsrichteramts:

Liefern muss derzeit der eidgenössische Untersuchungsrichter, Ernst Roduner, bei dem der Fall seit drei Jahren hängig ist. Auf die Frage, wie es denn nun um den Verdacht der organisierten Kriminalität stehe, bleibt Roduner vage: «Die Art und Weise, wie Hells Angels verschiedene Straftaten begingen, hat den Verdacht auf OK nicht aufgelöst, im Gegenteil.» Ob sich aber der Verdacht «bis zur Anklagereife erhärtet, werden die Befragungen und weitere Ermittlungen ergeben.»

Ich weiss nicht, wie die Beschuldigten mit dem Verfahrensdruck in diesem Fall umgehen. Er dürfte aber ein Beispiel dafür liefern, dass heute weniger die Sanktionen am Ende eines Prozesses belasten, sondern die übermässige Verfahrensdauer, die von den Strafverfolgern angeordneten Zwangsmassnahmen und die damit verbundene Stigmatisierung. Dies kann auch ein späterer Freispruch niemals korrigieren.