Geringschätzung der Verteidigung

Das Bundesgericht lässt es weiterhin zu, die Entschädigung der amtlichen Verteidigung nach Pauschalen festzusetzen. In einem zur Publikation in der AS vorgesehenen Urteil (BGE 730/2014 vom 02.03.2015) weist es alle Argumente der Verteidigung zurück, ohne wirklich überzeugend darauf einzugehen. Oekonomische Ansätze mag das Bundesgericht offensichtlich nicht, obwohl kaum ernsthaft bestritten werden kann, dass die Entschädigungspraxis ganz erheblichen Einfluss auf die Qualität der Verteidigung hat. Dem hatte sich das Bundesgericht bisher eigentlich nicht verschlossen [vgl. dazu BGE 132 I 201 E. 8.6 und 8., wonach das Honorar wenigstens die Selbstkosten des Verteidigers (nach empirischen Erhebungen in der Regel CHF 180.00 pro Stunde) übersteigen muss, um noch verfassungskonform zu sein].

Im vorliegenden Fall stellt das Bundesgericht nun aber fest, dass der amtliche Verteidiger vom Anwendungsbereich der Wirtschaftsfreiheit ausgeschlossen ist:

Nicht in den Geltungsbereich von Art. 27 BV fällt indessen die eigentliche Tätigkeit als amtlicher (unentgeltlicher) Verteidiger, weil es sich dabei um eine staatliche Aufgabe des betroffenen Rechtsanwalts handelt (E. 4.1).

Damit öffnet es den Weg zur beliebigen Entwertung der Verteidigungsarbeit. Es macht Äusserungen, die wohl jeder amtliche Verteidiger (und am Ende auch jeder Beschuldigte) nur als eigentliche Geringschätzung des Instituts der Verteidigung deuten muss. Ich spreche damit das auf den ersten Blick durchaus überzeugende Argument an, dass sich der amtliche Verteidiger nicht auf das Recht auf wirksame Verteidigung berufen kann:

Auf dieses Recht kann sich die Beschwerdeführerin, die weder beschuldigte noch angeklagte Person ist, hier nicht berufen (E. 4.2).

Für diesen wertvollen Hinweis kann man sich nur bedanken. Er besagt zunächst richtig, dass nur der Beschuldigte Anspruch auf wirksame Verteidigung hat. Gegenstück ist aber die Berufspflicht des Verteidigers, die unabhängig von der Entschädigung zu erfüllen ist. Dieser Tenor wird durch eine weitere Bemerkung verstärkt:

Die ebenfalls als verletzt gerügte Bestimmung von Art. 128 StPO betrifft die Interessenvertretung und nicht die Entschädigung der amtlichen Verteidigung (Art. 135 Abs. 1 StPO) [E. 4.2].

Zu deutsch: Verteidigung hat keinen Wert. Den Rest erledigt das Bundesgericht über das Ermessen der Vorinstanz:

Ein ausserordentlich komplizierter oder umfangreicher Fall liegt nicht schon dann vor, wenn das Pauschalhonorar den vom amtlichen Anwalt betriebenen Zeitaufwand nicht vollumfänglich deckt. Dass das zugesprochene Honorar ausserhalb jedes vernünftigen Verhältnisses zu den von der Beschwerdeführerin erbrachten Bemühungen steht, ist jedenfalls nicht ersichtlich. Die Vorinstanz überschreitet mithin das ihr zustehenden weite Ermessen nicht (E. 4.4).

Es ist damit nicht unvernünftig, wenn die kantonalen Gerichte die Entschädigung der Verteidigerin von CHF 19T auf CHF 12T kürzten. Ob dieses Honorar wie von der Rechtsprechung garantiert über den Selbstkosten liegt, ist dem Bundesgericht nun auch egal:

Da die Ausrichtung eines Pauschalbetrages als Anwaltshonorar nicht zu beanstanden ist, sieht die Vorinstanz auch zutreffend von einer Beurteilung der einzelnen Positionen der eingereichten Honorarrechnung ab. Sie verletzt daher ihre Begründungspflicht gemäss Art. 29 Abs. 2 BV nicht (vgl. BGE 136 I 229 E. 5.2), indem sie sich nicht im Einzelnen mit der Kostennote der Beschwerdeführerin auseinandersetzt und ausdrücklich begründet, weshalb sie allenfalls einzelne der in Rechnung gestellten Positionen für übersetzt hält (E. 4.5).