Justizwillkür?

Bei der Lektüre von Urteilen des Bundesgerichts kommt man bisweilen nicht umhin, sich Gedanken über mögliche Willkür der Strafrechtsprechung zu machen. Dass die Jurisprudenz nicht zu den exakten Wissenschaften zählt (genau genommen ist sie ja gar keine Wissenschaft), kann nicht immer alles erklären. Wenn etwa das Bundesgericht wie in einem heute publizierten Entscheid (BGer 6B_714/2012 vom 17.09.2013) einstimmig feststellen muss, dass die Vorinstanz, die ja beileibe auch keine Laienbehörde ist, in einem einzigen Entscheid das Bundesrecht gleich x-fach verletzt, müsste man doch einmal analysieren, woran das liegt. Allein anhand des Urteils des Bundesgerichts ist das leider nicht möglich. Möglich ist hier nur, ein paar Beispiele zu zitieren, in denen das Bundesgericht korrigierend eingreifen musste:

Anklageprinzip -Das Urteil hat die Bereicherungsabsicht anders konstruiert als die Anklage, was eine Verletzung des Anklageprinzips darstellt:

In der Anklage ist nicht davon die Rede, dass der Beschwerdeführer den beiden bisherigen Grossaktionären eine als unrechtmässige Bereicherung im Sinne des Betrugstatbestands zu qualifizierende Liquidität verschaffen wollte. In der Anklage wird die unrechtmässige Bereicherung der beiden bisherigen Grossaktionäre vielmehr damit beschrieben, dass diese beiden Unternehmen, wie der Beschwerdeführer erkannt habe, keinen Anspruch darauf gehabt hätten, die zufolge des Wegfalls des Kapitalschutzes im Wert verminderten A.-Aktien zum Nominalwert oder mehr an die über den Kapitalschutz getäuschten Anleger zu verkaufen (…). In Bezug auf die Absicht unrechtmässiger Bereicherung weicht der angefochtene Entscheid (Verschaffung von liquiden Mitteln) in tatsächlicher Hinsicht von der Anklage (Verschaffung eines über dem Wert der Aktie liegenden Entgelts) ab. Dies ergibt sich auch aus dem “obiter dictum” der Vorinstanz, wonach entgegen der Anklage keineswegs erstellt ist, dass die A.-Aktie zufolge der vom Beschwerdeführer zu verantwortenden Änderung der Anlagestrategie (Aufgabe des Kapitalschutzes) an Wert verlor. Genau in diesem Wertverlust der A.-Aktie beziehungsweise darin, dass die beiden bisherigen Grossaktionäre dank des inkriminierten Verhaltens des Beschwerdeführers diesen Wertverlust nicht erleiden mussten, wird in der Anklage die vom Beschwerdeführer beabsichtigte unrechtmässige Bereicherung der beiden bisherigen Grossaktionäre gesehen (E. 1.4).

Bereicherung / Vermögensschaden – Vorteil ist nicht mit Schaden gleichzusetzen:

Durch die Handlungen des Beschwerdeführers erhielten die bisherigen Grossaktionäre anstelle ihrer A.-Aktien liquide Mittel in Form von Bargeld respektive Gutschriften auf Konten. Darin liegt unter Umständen ein Vorteil, aber jedenfalls keine Bereicherung im Sinne des Vermögensstrafrechts (E. 1.5).

Denn wenn nach der Ansicht der Vorinstanz die Bereicherung in der Verschaffung von Liquidität zu Gunsten der ehemaligen Grossaktionäre besteht, dann müsste bei Beachtung des Erfordernisses der Stoffgleichheit zwischen Bereicherung und Vermögensschaden beim Betrug (siehe dazu Beschwerde Rz. 34 ff.; BGE 134 IV 210 E. 5.3 mit Hinweisen) der Schaden folgerichtig im Verlust von Liquidität gesehen werden. Die Verminderung von Liquidität, die beispielsweise aus dem Erwerb einer Sache oder eines Wertpapiers resultiert, ist indessen kein Vermögensschaden im Sinne des Betrugstatbestands (E. 1.6).

Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die drei Darlehensgeber einen Vermögensschaden erlitten haben könnten, wenn der Beschwerdeführer zwar abredewidrig nicht ihre Darlehen, aber stattdessen aus anderen Quellen stammende,  frei verfügbare Vermögenswerte für den Stahlhandel verwendete. Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern der Beschwerdeführer beziehungsweise die von ihm vertretene B. AG oder Dritte in dieser Situation unrechtmässig bereichert sein könnten (E. 2.4.6).

Täuschung / Motivationszusammenhang der Betrugselemente:

Da der Vertragstext nicht die Behauptung enthält, die Zahlung des unterzeichnenden Investors werde für die Vermarktung des Kessels verwendet, ist der Tatbestand des Betrugs mangels Täuschung nicht erfüllt, soweit Geschädigte nicht an mündlichen Informationsveranstaltungen teilnahmen, sondern einzig aufgrund des Wortlauts des schriftlichen Vertrags sich zur Investition entschlossen (E. 3.3.5).

In dubio pro reo – keine Einvernahmen der Vermittler, Täuschung / Irrtum nicht nachgewiesen

Kein Vermittler wurde einvernommen. Es liegen lediglich Aussagen der Geschädigten vor. Daraus geht jedoch nur hervor, welche Informationen die Geschädigten von den Vermittlern erhielten. Aus den Aussagen ergibt sich aber nicht, dass die Vermittler ihre Informationen irrtümlich für wahr hielten und dass ein allfälliger Irrtum auf einer Täuschung seitens des Beschwerdeführers beruhte.

In dubio pro reo / Dreiecksbetrug:

Es ist somit im angefochtenen Urteil nicht rechtsgenügend erstellt, dass der Beschwerdeführer MM. über den Verwendungszweck der Investition arglistig täuschte und dadurch im Sinne eines Dreiecksbetrugs MM. zu einer Vermögensverfügung zum Schaden des von ihr verwalteten Vermögens von H. bestimmte (E. 3.6.4).

Für die weiteren Rügen, die das Bundesgericht gutgeheissen hat, verweise ich auf den eingangs zitierten Entscheid.