Kein informeller Verzicht auf Konfrontationsanspruch

Das Bundesgericht weist ein Urteil an die Vorinstanz zurück, weil der Beschuldigte ohne ausdrücklich darauf verzichtet zu haben nie Gelegenheit hatte, der einzigen direkten Belastungszeugin Ergänzungsfragen zu stellen (BGer 6B_98/2014 vom 30.09.2014). Das Bundesgericht betont einmal mehr, dass das Fragerecht dem Beschuldigten persönlich zusteht und weist darauf hin, dass die Verteidigung auf die persönliche Anwesenheit des Beschuldigten je nach Konstellation wohl nicht wirksam verzichten könne. Entscheidend war für das Bundesgericht im vorliegenden Fall, dass “keine förmliche und unzweideutige Verzichtserklärung” vorlag:

In der Vernehmlassung führt die Vorinstanz aus, das Fragerecht stehe nicht dem Beschuldigten persönlich, sondern allgemein der Verteidigung zu. Das ist nach neuem Recht unzutreffend (oben E. 3.5). Sie hält zudem fest, eine Verwertung der Aussagen könne auch stattfinden, wenn der Verteidiger auf die persönliche Anwesenheit des Beschuldigten bei der Befragung verzichte. Die Vorinstanz stützt ihre Rechtsauffassung auf das Urteil 6B_373/2010 vom 13. Juli 2010 E. 3.5, welches das kantonale Verfahrensrecht betraf (a.a.O., E. 3.3). Weiter beruft sie sich auf das Urteil 6B_115/2011 vom 26. Juli 2011 E. 1.5, welches ebenfalls auf der Grundlage des kantonalen Rechts erging (a.a.O., E. 1). Nach der in diesen Urteilen erwähnten Rechtsprechung konnte auf Konfrontation und Befragung verzichtet werden. Das ist grundsätzlich auch unter neuem Recht anzunehmen (oben E. 3.4), dürfte aber in der zu beurteilenden Konstellation zweifelhaft sein (vgl. oben E. 3.3 und 3.5 ff.). Das kann hier offen bleiben. Denn entscheidend ist, dass keine förmliche und unzweideutige Verzichtserklärung vorliegt. Dass eine solche besteht, wird von der Vorinstanz nicht vorgetragen und ist angesichts des Prozessverlaufs nicht anzunehmen (vgl. oben E. 3.1) [E. 3.9].

Das bedeutet dann wohl, dass der Konfrontationsanspruch von Amts wegen zu beachten ist und nicht bloss auf Antrag der Verteidigung hin. Auf eine Konfrontation kann nur verzichtet werden, wenn der Beschuldigte selbst förmlich und unzweideutig verzichtet. Im vorliegenden Fall war es auch nicht rechtsmissbräuchlich, dass der Verteidiger die unterbliebene Konfrontation vor erster Instanz erst in der Berufungserklärung gerügt hat.

Offen gelassen hat das Bundesgericht die Frage, ob auch die mündlichen Parteivorträge zu protokollieren seien, woran aber m.E. eigentlich kein Zweifel bestehen kann:

Gemäss Art. 76 StPO werden die Aussagen der Parteien, die mündlichen Entscheide der Behörden sowie alle anderen Verfahrenshandlungen, die nicht schriftlich durchgeführt werden, protokolliert. Die Verfahrensleitung ist für die Protokollierung verantwortlich. Das Verfahrensprotokoll muss “namentlich” über die in Art. 77 StPO aufgeführten wesentlichen Verfahrenshandlungen Auskunft geben. Damit werden die allgemeinen Bestimmungen von Art. 76 StPO nicht derogiert. Die Art. 76 ff. StPO sind im Zusammenhang auszulegen (vgl. Urteile 6B_344/2013 vom 19. Juli 2013 E. 1.3 ff. und 6B_492/2012 vom 22. Februar 2013 E. 1.3 ff.). Aus dem Gehörsrecht (Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO) ergibt sich der Anspruch auf Akteneinsicht (ferner Art. 101 StPO). Soll dieser effizient wahrgenommen werden können, ist erforderlich, dass alles in den Akten festgehalten wird, was zur Sache gehört und entscheidwesentlich sein kann. Nur so kann der Beschuldigte gegebenenfalls Einwände gegen die Verwertbarkeit erheben und seine Verteidigungsrechte wahrnehmen (vgl. Urteil 6B_307/2012 vom 14. Februar 2013 E. 3.1, in BGE 139 IV 128 nicht publiziert).