Ohne Tatverdacht keine Zwangsmassnahme

swissblawg macht auf eine Urteilsanmerkung zu BGer 1B_301/2009 vom 31.03.2010 aufmerksam. Im besprochenen Urteil weist das Bundesgericht eine Beschwerde gegen einen Entscheid ab, der die Strafverfolger verpflichtete, bei einem Rechtsanwalt beschlagnahmte Unterlagen versiegelt zurückzugeben. Es folgt der Auffassung der Vorinstanz, wonach gegen den Anwalt selbst kein konkreter Tatverdacht nachgewiesen werden könne bzw. dass die Vorinstanz dies willkürfrei annehmen durfte.
Die Urteilsanmerkung fasst den Entscheid wie folgt zusammen:

Das anwaltliche Berufsgeheimnis wird höher gewertet als das öffentliche Interesse einer Strafverfolgung wegen Adressbuchschwindels. Die Anforderungen an die Indizien für einen konkreten Tatverdacht, welche zur Entsiegelung der fraglichen Dokumente führen, sind sehr hoch. Ungewiss ist, wie man unter der eidgenössischen StPO auf diese Problematik reagieren wird, da man nicht mehr mit der Willkürkognition argumentieren kann, weil es sich um Bundesrecht handelt.

Diese Zusammenfassung verkennt, dass das Bundesgericht gar keine Interessenabwägung vorgenommen hat (und auch keine vorzunehmen hatte), schon gar nicht zwischen Berufsgeheimnis und Strafverfolgungsinteresse bei Adressbuchschwindel. Das Berufsgeheimnis ist absolut und damit abwägungsresistent. Das gilt nur dann nicht, wenn sich der Berufsgeheimnisträger selbst einer Straftat verdächtig gemacht hat, was hier ja gerade nicht nachgewiesen war. Die Willkürkognition des Bundesgerichts betraf im Übrigen den Tatverdacht und damit eine Frage des Sachverhalts, nicht eine Frage des Rechts. Nach neuem Recht hätte das Bundesgericht demnach gleich entscheiden müssen.