Strafbefehl: Höchstrichterliche Absage an kantonale Sonderzüge

Das Bundesgericht erinnnert endlich wieder einmal daran, dass die Strafprozessordnung in der ganzen Schweiz gilt. Kantonen, die ihre Energie darauf konzentrieren, ihre alrechtliche Praxis auch unter dem neuen schweizerischen Recht weiterzuführen, wird eine deutliche Absage erteilt (BGer 6B_848/2013 vom 03.04.2014).

Im vorliegenden Fall geht es um den Inhalt eines Strafbefehls, der an sich im Gesetz klar genug geregelt wird, in vielen Kantonen aber schlicht nicht umgesetzt wird. Das Bundesgericht:

Die Vorinstanz bestreitet die sinngemässen Ausführungen des Beschwerdeführers nicht, wonach es der üblichen Praxis im Kanton Luzern entspricht, den Sachverhalt erst bei der Überweisung an das erstinstanzliche Gericht schriftlich festzuhalten (Beschwerde S. 7 f.). Die Beschwerdegegnerin 1 betont in ihrer Vernehmlassung, der vorliegende Strafbefehl alleine sei zwar keine genügende Anklageschrift. Trotzdem verstosse ihre Praxis, nach der es genüge, wenn der Sachverhalt in der Überweisungsverfügung enthalten sei, nicht gegen den Anklagegrundsatz. Beide verkennen, dass dieses Vorgehen die für die ganze Schweiz geltende StPO missachtet und bundesrechtswidrig ist. Angesichts der Doppelfunktion des Strafbefehls ist es unerlässlich, dass die Staatsanwaltschaften die gesetzlichen Minimalanforderungen an den Inhalt eines Strafbefehls erfüllen. Das Strafbefehlsverfahren ist in der Schweiz von zentraler Bedeutung. Die Mehrheit aller Untersuchungen, die nicht eingestellt werden, werden so erledigt (…). Auch im Lichte der beständigen Kritik an diesem besonderen Verfahren ist es unbedingt erforderlich (…), dass die Strafbehörden zumindest die Vorschriften zur Gewährleistung der Beschuldigtenrechte einhalten. Es genügt nicht, dass diesen erst Rechnung getragen wird, wenn gegen den Strafbefehl Einsprache erhoben wird. Die beschuldigte Person, die es unterlässt eine gültige Einsprache zu erheben, verzichtet auf elementarste Verfahrensrechte (…). Damit ein solcher Verzicht aber wirksam ist, muss dieser in Kenntnis der Sach- und Rechtslage erfolgt sein (…). Dies ist offensichtlich nicht der Fall, wenn der beschuldigten Person im Strafbefehl den ihr zur Last gelegte Sachverhalt gar nicht angegeben wird. Bei einem in formeller Hinsicht solch klar mangelhaften Strafbefehl ist angesichts der vorstehenden Erwägungen – neben den in den Materialen und der Literatur genannten Fällen, der fehlenden Voraussetzung für den Erlass eines Strafbefehls – von dessen Ungültigkeit auszugehen. Nach Massgabe von Art. 356 Abs. 5 StPO hätte die erste Instanz den vorliegenden Strafbefehl aufheben und den Fall zur Durchführung eines neuen Vorverfahrens an die Staatsanwaltschaft zurückweisen müssen. Indem die Vorinstanz erwägt, der Strafbefehl vom 6. September 2012 genüge im Ergebnis den Anforderungen der StPO, verletzt sie Bundesrecht (E. 1.4).