Anonymisierte Gerichtsberichterstatterinnen

Das Bundesgericht heisst die Beschwerden zweier Gerichtsberichterstatterinnen gut, welche sich gegen gerichtlich auferlegte Anonymitätsauflagen wehrten.

Das Bundesgericht anonymisiert in seinem Entscheid gegen die Anonymisierung die obsiegenden Gerichtsberichterstatterinnen, denen auf diesem Weg herzlich gratuliert sei. Sie beweisen den Mut, den vielen Journalisten heute abzugehen scheint.

In BGE 1B_169/2013 vom 06.11.2014, Publikation in der AS vorgesehen) ging es um folgende Auflage des erstinstanzlichen Einzelrichters:

1. Den Gerichtsberichterstattern bzw. Medienvertretern wird die Auflage erteilt, die Anonymität der beschuldigten Person wie folgt zu wahren:
In einer allfälligen Berichterstattung wird untersagt,
       a) den Namen der beschuldigten Person zu nennen;
       b) Fotos der beschuldigten Person zu publizieren; und
       c) Alter, Wohnort, Arbeitgeber und die Adresse des Internetblogs der beschuldigten Person zu publizieren.
2. Gerichtsberichterstatter bzw. Medienvertreter, welche die Anordnung gemäss Ziffer 1 vorstehend missachten, können mit Ordnungsbusse bis zu Fr. 1’000.– bestraft werden. § 12 der Akteneinsichtsverordnung der obersten Gerichte (LS 211.15) bleibt vorbehalten.
Ob diese Verfügung als schwerer Eingriff in die Medienfreiheit (Art. 17 BV) darstellte, liess das Bundesgericht offen,
da sich auch bei Annahme eines leichten Eingriffs am Ergebnis nichts änderte. Die genannten Bestimmungen der Strafprozessordnung und des Gerichtsorganisationsgesetzes stellen klar keine genügende Grundlage für den Eingriff dar. Die Vorinstanz legt das auch nicht dar. Sie ist der Auffassung, der Eingriff lasse sich auf die Akteneinsichtsverordnung stützen.
Zu viel Freiheit ist dem Bundesgericht aber offenbar nicht geheuer, weshalb es noch einen väterlichen Rat nachreicht:
Der Wegfall der ausgesprochenen Verbote bedeutet nicht, dass die Beschwerdeführerinnen bei der Berichterstattung völlig frei waren. Sie hatten § 11 Abs. 2 AEV zu beachten, wonach die Berichterstattung auf die schutzwürdigen Interessen der Prozessparteien gebührend Rücksicht nehmen soll und jede Art unnötiger Blossstellung zu vermeiden ist, und bei schwerer oder wiederholter Pflichtverletzung die in § 12 Abs. 2 AEV vorgesehenen Sanktionen durch die obergerichtliche Verwaltungskommission zu gewärtigen. Bei widerrechtlicher Verletzung der Persönlichkeit drohte ihnen ausserdem eine Zivilklage des Beschwerdegegners nach Art. 28 ff. ZGB (E. 3.9).

Genau! Unnötige Blossstellungen sind den staatlichen Anklägern vorbehalten, bei Ihnen dafür umso beliebter.

Eigentlich schade, dass die beiden Journalistinnen die Auflage nicht einfach ignoriert haben, um sich dann gegen die Sanktion zu wehren. Für die Sache war das gewählte Vorgehen aber vielleicht besser geeignet.