BA: Als Anklage untauglicher Strafbefehl

Wenn beim Erlass einer Strafnorm bereits der Gesetzgeber das Bestimmtheitsgebot verletzt, müssen Staatsanwälte besonders darauf achten, wenigstens die zur Anklage gebrachten Sachverhalte klar zu umschreiben und zu umgrenzen. Andernfalls ist eine sachrichterliche Beurteilung schlicht unmöglich, was dann zu reichlich absurden Situationen führen kann, was eine Verfügung der Strafkammer des Bundesstrafgerichts belegt (BStrGer SK.2018.52 vom 12.10.2018).

Mit dieser Verfügung wurde ein zur Anklage mutierter Strafbefehl an die Bundesanwaltschaft zurückgewiesen, weil dem Sachrichter nicht klar war, was er denn überhaupt beurteilen sollte. Ohne Einsprache wäre der Strafbefehl zum rechtskräftigen Urteil geworden, obwohl er nicht einmal als Anklage tauglich gewesen wäre.

Hier die Beanstandung des Bundesstrafgerichts:

6.1 Im Anklagepunkt betreffend mehrfache Widerhandlung gegen Art. 2 Abs. 1 Al-Qaïda/IS-Gesetz wirft die BA dem Beschuldigten im Wesentlichen vor, den IS gefördert zu haben, indem er eine von ihm im November 2013 erstellte Website ( www.[…].com) und ein Internetforum ( www. [… ].info), erstellt im Mai 2011, betrieben habe, über welche IS-Propaganda verbreitet worden sei. Die betreffenden Domains seien bis 26. Mai 2015 ( www. [… ].info) resp. 21. November 2015 ( www.[…].com) auf den Beschuldigten registriert gewesen. Zudem soll der Beschuldigte Beiträge mit IS-Propaganda auf seinen Social-Media-Accounts auf Facebook, Google+ und Twitter veröffentlicht haben, welche er mit den genannten Websites verlinkt habe.
Mit Ausnahme einzelner exemplarisch aufgezählter Veröffentlichungen auf dem Facebook-Account sowie im Forum www. (… ).info enthält die Anklageschrift indes keine Angaben zum konkreten Inhalt der inkriminierten Publikationen (Texte, Fotos, Videos). Ohne solche Angaben lässt sich die strafrechtliche Relevanz der betreffenden Publikationen nicht beurteilen. Soweit die Anklageschrift die Publikationen mit allgemeinen Ausdrücken wie Propagandavideos für den Dschihad sowie den IS” und Artikel, welche sich dem IS widmen”, Propagandabotschaften von Al-Qaïda-Führern” etc. beschreibt, genügt sie ihrer Informationsfunktion nicht und verletzt somit den Anklagegrundsatz.
In Bezug auf die inkriminierten Veröffentlichungen auf den Social-Media-Accounts des Beschuldigten ist der Anklage lediglich zu entnehmen, dass der Beschuldigte in den Jahren 2014 und 2015 auf seinem Facebook-Account 110 Beiträge mit IS-Propaganda publiziert habe. Hingegen finden sich in der Anklageschrift keinerlei Informationen über Veröffentlichungen auf anderen erwähnten Social-Media-Accounts des Beschuldigten. Soweit die Anklage dem Beschuldigten die Veröffentlichung der erwähnten 110 Beiträge auf dem Facebook-Account vorwirft, ist sie zudem in zeitlicher Hinsicht unpräzis. Es fehlen die Angaben zum Zeitpunkt der jeweiligen Publikation, was insbesondere im Hinblick auf die Anwendbarkeit von Art. 2 Abs. 1 Al-Qaïda/IS-Gesetz von Bedeutung ist; dieses Gesetz ist erst seit dem 1. Januar 2015 in Kraft.
Schliesslich unterlässt es die Anklage, die Anzahl der inkriminierten Publikationen im Forum www. (… ).info zu spezifizieren. Auch insoweit ist der Anklagevorwurf zu unbestimmt.
6.2 Der Vorwurf des mehrfachen Besitzes und Zugänglichmachens von Gewaltdarstellungen ist in der Anklageschrift ebenfalls nicht in einer mit den gesetzlichen Anforderungen gemäss Art. 325 Abs. 1 StPO konformen Weise umschrieben. Zunächst sind die inkriminierten Darstellungen zahlenmässig nicht bestimmt. Der Vorwurf ist umso weniger fassbar, als mit einem Teil der Darstellungen gemäss Anklage zugleich der Tatbestand von Art. 2 Abs. 1 Al-Qaïda/IS-Gesetz erfüllt sein soll, welcher Art. 135 StGB vorgeht (Urteil des Bundesstrafgerichts SK.2016.9 vom 15. Juli 2016 E. 2.4.3.2 f.). Im Ergebnis ist also unklar, welche Darstellungen Gegenstand des beantragten Schuldspruchs nach Art. 135 Abs. 1 und 1 bis StGB sein sollen. Hinzu kommt, dass die Darstellungen auch in diesem Anklagepunkt mit Ausnahme der exemplarisch aufgezählten inhaltlich nicht umschrieben sind.

Frage: Wieso soll es zulässig sein, den als Anklage dienenden Strafbefehl jetzt noch zu verbessern? Oder ist die Meinung, die Staatsanwaltschaft könne jetzt noch eine förmliche Anklage erheben?