(Grundsätzlich) absoluter Konfrontationsanspruch

Wenn belastende Aussagen in einen Polizeirapport einfliessen, ändert das nichts am Anspruch, mit dem entsprechenden Belastungszeugen konfrontiert zu werden. Dies gilt nach einem aktuellen Urteil des Bundesgerichts selbst dann, wenn zu erwarten ist, der Zeuge könne gar keine entscheidrelevanten Aussagen zum Anklagesachverhalt machen (BGer 6B_1424/2021 vom 05.10.2023):

Daraus ergibt sich, dass der Gefängnismitarbeiter C. die Schäden in der Zelle als Erster festgestellt, fotografiert und zur Anzeige gebracht hat. Ferner hat er gemäss Polizeirapport angegeben, der Beschwerdeführer habe die Schäden verursacht. Zudem bezifferte er die Schadenshöhe. Damit beruht der Anklagevorwurf ausschliesslich auf den Angaben des Gefängnismitarbeiters C. , womit er ein Belastungszeuge ist. Der Beschwerdeführer hat damit das (grundsätzlich absolute) Recht, mit dem Gefängnismitarbeiter C. konfrontiert zu werden und diesem Fragen zu stellen, dies unabhängig davon, ob zu erwarten ist, dass der Gefängnismitarbeiter entscheidwesentliche Angaben zum Anklagesachverhalt machen kann oder nicht. Indem die Vorinstanz den Antrag auf Einvernahme des Gefängnismitarbeiters C. abweist und auf den Polizeirapport, der sich in erster Linie auf die Aussagen des besagten Belastungszeugen stützt, abstellt, verletzt sie Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK (E. 2.4, Hervorhebungen durch mich). 

Die bei den Strafbehörden so beliebte antizipierte Beweiswürdigung ändert daran auch nichts, denn

die Fragen an den Belastungszeugen dürfen auch nicht im Rahmen einer antizipierten Beweiswürdigung für entbehrlich erklärt werden (BGE 129 I 151 E. 4.3; Urteile 6B_1137/2020 vom 17. April 2023 E. 1.4.2.1; 6B_1454/2022 vom 20. März 2023 E. 2.3.4; 6B_517/2022 vom 7. Dezember 2022 E. 2.1.1) [E. 2.3].

Das Bundesgericht wirft dem Obergericht SH weitere Bundesrechtsverletzungen vor, u.a. auch den Anklagegrundsatz:

Die vorinstanzlichen Feststellungen gehen in entscheidender Weise über den angeklagten Sachverhalt hinaus. Während die Anklage dem Beschwerdeführer vorwirft, er habe in den frühen Morgenstunden viermal angerufen, wobei er beim letzten Mal eine Combox-Nachricht hinterlassen habe, ohne deren Inhalt zu umschreiben, erachtet die Vorinstanz lediglich den letztgenannten Anruf als erstellt und stellt ergänzend den Inhalt der Combox-Nachricht fest. Diese den angeklagten Sachverhalt ausweitende Feststellung legt die Vorinstanz auch ihrer rechtlichen Würdigung zugrunde. Anders als die Anklage, die mit dem umschriebenen Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht auf eine quantitative Intensität der Anrufe abzielt, erachtet die Vorinstanz den Tatbestand von Art. 179septies StGB aufgrund des Inhalts der Combox-Nachricht und der Anrufzeit als erstellt. Indem die Vorinstanz ihrer rechtlichen Subsumtion tatsächliche Feststellungen zugrunde legt, die in massgebenden Punkten vom angeklagten Sachverhalt abweichen und zu denen sich der Beschwerdeführer soweit ersichtlich im kantonalen Verfahren nicht äussern konnte, verletzt sie Art. 350 Abs. 1 StPO und den Anklagegrundsatz. Damit erweist sich der Schuldspruch wegen Missbrauchs einer Fernmeldeanlage als bundesrechtswidrig, da ein einzelner Anruf um 05.11 Uhr den Tatbestand nicht erfüllt. Es erübrigt sich daher auf die Kritik des Beschwerdeführers an der Sachverhaltsfeststellung sowie der rechtlichen Würdigung der Vorinstanz einzugehen (E. 3.4.3)