Objektiv schwer, aber “nicht krass rücksichtslos”

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts erfüllt Art. 90 Abs. 2 SVG, wer durch grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt. Der objektive Tatbestand verlangt nach der Rechtsprechung, dass der Täter eine wichtige Verkehrsvorschrift in objektiv schwerer Weise missachtet und die Verkehrssicherheit ernstlich gefährdet. Eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer ist bereits bei einer erhöhten abstrakten Gefährdung gegeben. Diese setzt die naheliegende Möglichkeit einer konkreten Gefährdung oder Verletzung voraus. Eine konkrete Gefahr oder Verletzung ist nicht verlangt.  Die subjektive Seite erfordert ein rücksichtsloses oder sonst schwerwiegend verkehrsregelwidriges Verhalten, das heisst ein schweres Verschulden, bei fahrlässigem Handeln mindestens grobe Fahrlässigkeit.

Mit diesen allgemeinen Hinweisen kassiert das Bundesgericht ein Urteil des Obergerichts AG, das zu Unrecht auf Rücksichtslosigkeit geschlossen hatte (BGer 6B_1324/2017 vom 09.05.2018):

Der Beschwerdeführer handelte nicht krass rücksichtslos. Wie er zu Recht rügt, liegen Gründe vor, die sein Verhalten subjektiv weniger schwer erscheinen lassen. Er handelte nicht gedankenlos und es kann angesichts der konkreten Umstände nicht von einem jedes Risiko ausblendenden Verhalten gesprochen werden. Wie bereits die erste Instanz zutreffend erwog, scherte der Personenwagen fast gleichzeitig wie der Beschwerdeführer aus und hielt keinen genügenden Abstand zu dessen Lastwagen. Unter diesen Umständen ist es durchaus denkbar, dass der Beschwerdeführer im Moment, als er nach hinten schaute, den Personenwagen übersah und davon ausging, dass die Überholspur frei war.
Die Vorinstanz nimmt an, dass der Beschwerdeführer jederzeit mit einem Überholmanöver des Personenwagens rechnen musste, weil dieser schon einige Zeit hinter ihm fuhr. Wie der Beschwerdeführer zutreffend vorbringt, lässt sich daraus auch das Gegenteil ableiten. Fährt ein Personenwagen auf einem ansteigenden Autobahnstück mit einem Überholverbot für Lastenwagen mehrere Kilometer hinter einem solchen, dann muss der Lastwagenführer nicht zwingend damit rechnen, der Personenwagen würde ihn unmittelbar nach dem Ende des Überholverbots für Lastenwagen seinerseits überholen.
Zwar schwenkte der Beschwerdeführer pflichtwidrig unvorsichtig aus und erkannte den Personenwagen zu spät, doch handelte er deswegen unter den konkreten Umständen nicht rücksichtslos. Indem die Vorinstanz davon ausgeht, der Beschwerdeführer habe auch subjektiv eine schwere Verkehrsregelverletzung begangen, verletzt sie Bundesrecht (E. 2.5).