Verdeckte Ermittler: gerichtliche Befragungspflicht

Das Bundesgericht kassiert ein Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, das auf die Einvernahme eines verdeckten Ermittlers verzichtet hat (BGer 6B_646/2017 vom 01.05.2018).

Das Bundesgericht erkennt auf einen unbedingten Anspruch der Beschuldigten, verdeckte Ermittler “durch ein Gericht im Rahmen einer indirekten Konfrontation befragen zu lassen:

BGE 133 I 33 ist für die hier interessierende Frage, ob bei verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern auf die Voruntersuchung abgestellt werden kann oder ob sie zwingend durch das Gericht anzuhören sind, nicht einschlägig. Auszugehen ist vom Gedanken der Kompensation der Beschneidung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten, der lediglich ein Recht auf indirekte Konfrontation mit solchen Personen hat. Verdeckte Ermittlung (als eine Zwangsmassnahme; BGE 143 I 304 E. 2.2 S. 307) hat zum Ziel, besonders schwere Straftaten aufzuklären (Art. 285a StPO; zur Abgrenzung von der verdeckten Fahndung [Art. 298a ff. StPO] BGE 143 IV 27 E. 2.4 S. 31). Damit verbunden ist die Gefahr der unzulässigen Einwirkung der verdeckt ermittelnden Person, indem sie beim Tatverdächtigen (Art. 286 Abs. 1 lit. a StPO) eine allgemeine Tatbereitschaft weckt oder die Tatbereitschaft auf schwerere Straftaten lenkt, oder wenn ihre Tätigkeit für den Entschluss zu einer konkreten Straftat nicht mehr bloss von untergeordneter Bedeutung ist (Art. 293 Abs. 1 und 2 StPO; vgl. Niklaus Oberholzer, Grundzüge des Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2012, Rz. 1250 ff.). Die Aussagen der verdeckten Ermittlerinnen und Ermittler sind somit nicht nur für die Frage der Strafbarkeit des oder der Beschuldigten bedeutsam, sondern es geht  gleichzeitig auch darum, ob sie bei ihrer Tätigkeit das Mass des Zulässigen überschritten haben und welche Rechtsfolgen (nach Art. 293 Abs. 4 StPO oder Art. 141 Abs. 1 StPO) sich daraus ergeben, worüber das Sachgericht zu befinden hat (BGE 143 I 304 E. 2.4 S. 309 f. mit Hinweis). Die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Person, die verdeckt ermittelt hat und anonym bleiben darf, steht gleichsam auf dem Prüfstand (vgl. BGE 143 I 310 E. 3.4.4 S. 320 oben). Daraus ergibt sich ein unbedingter Anspruch des oder der Beschuldigten darauf, verdeckte Ermittlerinnen oder Ermittler (als Auskunftspersonen oder Zeuginnen oder Zeugen; Art. 288 Abs. 2 StPO) durch ein Gericht im Rahmen einer indirekten Konfrontation befragen zu lassen (vgl. Urteil 1P.277/1997 vom 2. Dezember 1998 E. 4, nicht publ. in: BGE 125 I 127, unter Hinweis auf das Unmittelbarkeitsprinzip) [E. 6.2].