Überwachung auch von unverdächtigen Dritten

Ein Beschuldigter wird verdächtigt, im Jahr 2010 Raubüberfälle geplant zu haben (Art. 260bis Abs. 1 i.V.m. Art. 140 Ziff. 1, 2 und 3 StGB). Weil die Staatsanwaltschaft davon ausging, dass der Beschuldigte seine selbst nicht tatverdächtige Freundin anrufen werde, verfügte sie kurzerhand die Überwachung des Telefonanschlusses der Freundin. Das ZMG verweigerte die Genehmigung nach Art. 272 Abs. 1 StPO durch Auslegung von Art. 270 lit. b StPO. Diese Auslegung ist nach einem neuen Bundesgerichtsentscheid aber falsch (BGE 1B_563/2012 vom 06.11.2012, Publikation in der AS vorgesehen). Um den Entscheid begründen zu können, betont das Bundesgericht zur Abwechslung den sonst doch eher vernachlässigten Wortlaut der Norm:

Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet zunächst der Wortlaut der massgeblichen Norm (E. 3).

Und tatsächlich: diesmal unterstützt der Wortlaut ausnahmsweise nicht den gesetzgeberischen Willen wie er etwa in der Botschaft zum Ausdruck kommt, sondern die vom Bundesgericht tatkräftig und immer einseitiger geförderten Strafverfolgungsinteressen. Sprachlich sicher nicht zu Unrecht interpretiert das Bundesgericht den Wortlaut weit (man könnte ihn ja auch verfassungsmässig eng auslegen):

Nach seinem Wortlaut ermöglicht Art. 270 lit. b Ziff. 1 StPO die Überwachung von Drittpersonen, wenn der Beschuldigte deren Telefonanschluss benutzt. Eine solche Benutzung liegt vor, wenn der Beschuldigte mit dem Apparat der Drittperson Telefongespräche führt. So verhält es sich beispielsweise, wenn sich ein Beschuldigter bei Verwandten oder Bekannten aufhält und von deren Wohnung aus telefoniert. Dieses sprachliche Verständnis mag im Vordergrund stehen. Doch kann ohne Weiteres auch der Anruf auf den Telefonanschluss einer Drittperson als Benutzen dieses Anschlusses verstanden werden (E. 4).

Dass die Überwachung von Drittanschlüssen nur mit besonderer Zurückhaltung erfolgen darf (Art. 197 Abs. 2 StPO), erkannt das Bundesgericht zwar, legt die Verantwortung dafür aber in die Hände der Staatsanwaltschaft:

Die Verhältnismässigkeit einer solchen Massnahme bedarf indessen stets der besonders genauen Prüfung aufgrund der konkreten Verhältnisse (vgl. Art. 197 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 StPO). Überdies ist die Abhörung des Drittanschlusses abzubrechen, sobald der Anschluss, von dem aus der Beschuldigte die Gespräche führt, bekannt ist und selber überwacht werden kann. Wie die Staatsanwaltschaft erklärt, sollte dies in der Regel bereits nach kurzer Zeit möglich sein (E. 6.3).

Um den kantonalen ZMG schliesslich die noch verbliebene Daseinsberechtigung endgültig abzusprechen, weist das Bundesgericht die Sache nicht etwa zurück, sondern erteilt die Genehmigung gleich selbst:

Angesichts des Umstands, dass das Genehmigungsverfahren möglichst rasch durchzuführen ist (vgl. Art. 274 Abs. 2 StPO) und der massgebliche Sachverhalt feststeht, rechtfertigt es sich, dass das Bundesgericht von einer Rückweisung an die Vorinstanz absieht und selber über die Genehmigung entscheidet (Art. 107 Abs. 2 BGG) [E. 7].

Somit schreitet das Bundesgericht dann zum eigentlichen Prüfprogramm eines ZMG, das es wie folgt abhandelt:

Die beantragte Überwachungsmassnahme bildet Teil einer grösseren polizeilichen Operation. Die bisherigen Ermittlungen erlaubten nicht, den als Schlüsselfigur agierenden Beschuldigten festzunehmen. Um seinen Aufenthalt zu erkunden, hat die Staatsanwaltschaft am 14. September 2012 die Überwachung des Telefonanschlusses seiner Freundin angeordnet.
Wie bereits die Vorinstanz festhält, ist der dringende Verdacht gemäss Art. 269 Abs. 1 lit. a StPO gegeben, dass der Beschuldigte eine Straftat begangen hat, die im Katalog von Art. 269 Abs. 2 StPO figuriert und eine Überwachung grundsätzlich rechtfertigt. Die Staatsanwaltschaft legt überdies dar, dass die bekannten Rufnummern des Beschuldigten nicht mehr in Betrieb sind und deshalb kein auf seinen Namen lautender Anschluss abgehört werden kann. Die Überwachung des Anschlusses seiner Freundin erscheint daher als einziges Mittel, um Aufschluss über den Aufenthalt des Beschuldigten zu erlangen. Es bestehen aufgrund der engen persönlichen Beziehung zu ihr genügende Anhaltspunkte, dass der Beschuldigte auf ihren Anschluss anrufen wird und sich aus den Gesprächen Hinweise auf seinen Aufenthaltsort ergeben, welche zu seiner Verhaftung führen können. Aus den bei den Akten liegenden früheren Abhörprotokollen geht hervor, dass die Freundin bei der Planung und Durchführung der Reisen des Beschuldigten eine aktive Rolle zu übernehmen pflegt und sich die beiden über Einzelheiten am Telefon unterhalten. Schliesslich hat die Staatsanwaltschaft besondere Schutzvorkehrungen angeordnet. Sämtliche Gespräche, an denen der Beschuldigte nicht beteiligt ist, dürfen weder aufgezeichnet noch an die ermittelnden Personen weitergeleitet werden.
Unter diesen Umständen sind die oben dargelegten Voraussetzungen erfüllt, nach denen gemäss Art. 270 lit. b Ziff. 1 StPO ein Drittanschluss überwacht werden darf. Die angeordnete Überwachung des genannten Anschlusses ist daher zu genehmigen (E. 8).