Abgekürztes Verfahren als Verteidigerfalle

Ein neuer Grundsatzentscheid des Bundesgerichts (BGE 6B_17/2017 vom 15.03.2018) müsste Strafverteidiger, die abgekürzte Verfahren empfehlen, aufschrecken.

Das Bundesgericht hatte die Frage zu klären, ob die Revision eines im abgekürzten Verfahren ergangenen Urteils aufgrund eines unverträglichen Widerspruchs mit einem späteren Entscheid zulässig ist (Art. 410 Art. 1 llit. b StPO). Beschwerdeführer war gemäss Deal ein Gehilfe, der eine Tat gestanden hatte, von welcher der Täter später im ordentlichen Verfahren freigesprochen wurde.

Für das Bundesgericht ist das entgegen der wohl herrschenden Lehre kein Revisionsgrund (und für den Verteidiger vielleicht das letzte Mal, dass er einem abgekürzten Verfahren zugestimmt hat). Das Gegenteil wäre gemäss Bundesgericht mit den Grundsätzen des abgekürzten Verfahrens nicht vereinbar wäre,

weil angesichts der einvernehmlichen Festlegung des Sachverhalts durch die Parteien anderslautende spätere Entscheide (etwa bei Mittäterschaft oder Teilnahme) geradezu zum Wesen dieses summarischen Verfahrens gehören. Der Vorinstanz ist jedenfalls beizupflichten, wenn sie unter Hinweis auf Schmid/Jositsch erwägt, eine im abgekürzten Verfahren verurteilte Person könne nicht geltend machen, eine mitbeteiligte Person sei im ordentlichen Verfahren in einem der Anklagepunkte freigesprochen worden. Umgekehrt könne nämlich eine mitbeteiligte, nicht ins abgekürzte Verfahren einbezogene Person ebenfalls nicht geltend machen, eine darin einbezogene Person sei in einem bestimmten Anklagepunkt nicht verfolgt worden (Praxiskommentar, a.a.O., N. 15 zu Art. 362 StPO). In derartigen Fällen die Revision nach Art. 410 Abs. 1 lit. b StPO zuzulassen hätte tatsächlich zur Folge, dass die Zustimmung zum abgekürzten Verfahren häufig widerrufen werden könnte und eine Rechtsmittelmöglichkeit ohne Frist geschaffen würde (E. 1.6).

Sehr interessant ist eine Erwägung des Bundesgerichts zur geltend gemachten Drucksituation:

Die Beschwerde ist auch insoweit unbegründet, als geltend gemacht wird, anlässlich der Verhandlungen zur Durchführung des abgekürzten Verfahrens sei dem Beschwerdeführer gar nichts anderes übrig geblieben als dieser Erledigungsform zuzustimmen, was den “Zugang zur Revision” eröffne. Mit der Vorinstanz ist zwar anzunehmen, dass der Beschwerdeführer ohne Zustimmung zum abgekürzten Verfahren mit der Durchführung eines ordentlichen Vorverfahrens hätte rechnen und wahrscheinlich weiterhin in Untersuchungshaft verbleiben müssen. Wie das kantonale Gericht indessen zutreffend feststellt, ist die dadurch entstandene Drucksituation auf die strafprozessualen Gegebenheiten zurückzuführen und kann nicht den Strafbehörden zum Vorwurf gemacht werden. Jedenfalls ist die Auffassung des Beschwerdeführers unhaltbar, wonach “zwar keine Nötigung im strafrechtlichen Sinne”, wegen des “durch die Untersuchungshaft logischerweise” entstehenden Drucks aber dennoch ein Revisionsgrund vorliege (E. 1.7, Hervorhebungen durch mich).