Durchsuchung von Facebook-Chats

Das Bundesgericht hat heute einen wegweisenden neuen Grundsatzentscheid publiziert (BGE 1B_29/2017 vom 24.05.2017, Publikation in der AS vorgesehen), in dem es die “Sichtung” und die “vorläufige Sicherstellung” von Chat-Nachrichten eines des Drogenhandels beschuldigten Untersuchungshäftlings äussert. An die Zugangsdaten kamen die Strafverfolger durch eine Notiz des Häftlings, die – nachdem sie ausdrücklich darum ersucht hatte – für seine Sprachlehrerin bestimmt war.

Der Entscheid enthält eine Vielzahl neuer Erkenntnisse und ausserordentlich viel Sachverhalt, um diese begründen zu können. Einen kleinen Vorgeschmack gebe ich nachfolgend wieder:

Angesichts dieser massiven Kollusionshandlungen musste der Beschwerdeführer ernsthaft damit rechnen, dass seine Kontakte mit aussenstehenden Drittpersonen von der Verfahrensleitung und vom Sicherheitspersonal des Gefängnisses kontrolliert wurden. Dazu gehörten auch in Aufgabenheften versteckte Informationen, die er seiner Sprachlehrerin zukommen liess:
Hätte der Beschwerdeführer schon den Zettel mit den FB-Zugangsdaten der strafprozessualen Geheimhaltung unterstellen wollen, hätte er ihn nach den Vorschriften des Gesetzes siegeln lassen können und müssen (Art. 246-248 StPO) [E. 7.3].

Diese Feststellungen zum Sachverhalt begründeten die heimliche Durchsuchung des Chat-Verlaufs ohne Durchsuchungsbefehl (Gefahr im Verzug).

Eine rechtliche Analyse des Entscheids kann ich hier nicht leisten. Ich bin aber sicher, dass die Lehre einiges dazu zu sagen hätte.