Grenzen der “Organisationshaft” und Staatshaftung

In schuldunfähiger Täter, der zu einer kleinen Verwahrung verurteilt wurde, musste im Kanton Bern nach vorsorglichem Antritt der Massnahme 17 Monate lang warten, bis er in eine geeignete Institution eintreten konnte. Das Bundesgericht fasst die Kritik des Beschwerdeführers wie folgt zusammen (BGE 2C_523/2021 vom 25.04.2023, Publikation in der AS vorgesehen):

Der Beschwerdeführer bringt dagegen im Wesentlichen vor, es bestehe einerseits ein struktureller Mangel an Therapieplätzen im Kanton Bern, womit den Behörden von vornherein klar gewesen sei, dass die angeordnete Massnahme nicht wie geplant habe durchgeführt werden können. Bereits deshalb sei die Organisationshaft des Beschwerdeführers unzulässig gewesen. Andererseits macht er zusammengefasst geltend, die Bemühungen der Abteilung Straf- und Massnahmenvollzug seien ungenügend gewesen: Insbesondere seien zunächst lediglich 3 von 8 potenziellen Einrichtungen angefragt worden und diese erst Monate später ein zweites Mal kontaktiert worden. Es gehe zudem nicht an, dem Beschwerdeführer seine Erkrankung als Grund anzulasten, weshalb er über 17 Monate nicht in eine geeignete Einrichtung habe übertreten können. Die angeblich fehlende Behandlungseinsicht und Therapiemotivation sei vielmehr gerade auf die falsche Platzierung zurückzuführen (E. 8.2). 

Diese Kritik teilt das Bundesgericht weitgehend und erkennt auf einen Anspruch auf Art. 5 Ziff. 5 EMRK:

Der konventionsrechtliche Entschädigungsbehelf umfasst den Anspruch auf eigentlichen Schadenersatz ebenso wie auf Genugtuung (BGE 125 I 394 E. 5c; 124 I 274 E. 3d; 119 Ia 221 E. 6a) [E. 5.1].

Wenn man jetzt noch weiss, dass solche Fälle von “Organisationshaft” alles andere als unüblich sind, müsste man alle Betroffenen ermutigen, den Staatshaftungsweg zu beschreiten. Ich frage mich in diesen Konstellationen übrigens immer, ob in solchen Fällen nicht strafbare Freiheitsberaubung vorliegt, die man mit dem Euphemismus “Organisationshaft” zu verklären versucht.