Sicherheitshaft trotz Freispruchs?

Dass nach einem erstinstanzlichen Freispruch noch immer ein dringender Tatverdacht bejaht werden kann, erscheint mir als ausgeschlossen. Das Bundesgericht ist da “grosszügiger”.

In einem heute publizierten Entscheid hat es aber den erforderlichen Tatverdacht verneint und die Haftentlassung angeordnet (BGer 1B_176/2018 vom 02.05.2018):

Im vorliegenden Fall bestehen zwar weiterhin gewisse Verdachtsmomente gegen den Beschuldigten. Die Staatsanwaltschaft hat das Bezirksgericht im Hauptverfahren jedoch nicht von der strafrechtlichen Schuld des Beschwerdeführers gemäss Anklageschrift zu überzeugen vermocht. Es erfolgten am 21. Dezember 2017 vielmehr Freisprüche in allen fraglichen Anklagepunkten.
Auch die Vorinstanz stellt ausdrücklich fest, dass gewisse belastende Beweisaussagen der Privatklägerin in der noch rechtshängigen Strafsache “widersprüchlich” erscheinen. Der Haftrichter und die Staatsanwaltschaft legen nicht nachvollziehbar dar, inwiefern im Berufungsverfahren Schuldsprüche mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten wären (E. 3.6).
Soll Sicherheitshaft trotz erstinstanzlichen Freispruchs beantragt werden, darf die Begründung nicht auf appellatorischer Kritik des (schriftlich in der Regel ja noch nicht begründeten) Urteils beschränkt werden.