Solothurnische Aktenführung beanstandet

Das Bundesgericht ist sich nicht zu schade, die gesetzlich vorgesehene Aktenführung durchzusetzen, die in vielen Kantonen schlicht missachtet wird, u.a. auch in Solothurn (BGer 1095/2019 vom 30.10.2019).

Warum die kantonalen Justizbehörden die Aktenordnung nicht von sich aus durchsetzen, ist mir ein Rätsel, zumal ja auch sie selbst immer wieder betroffen ist, wenn sie Vollzugsakten oder Untersuchungsakten der Staatsanwaltschaft erhält. Wahrscheinlich steht die Justiz der Verwaltung halt doch zu nah.

Weniger Beisshemmungen hat das Bundesgericht:

Eine nicht chronologisch aufdatierte systematische Erfassung und Paginierung der Aktenbestände bildet für die Verteidigung und die befassten Behörden eine Erschwernis der Sachbearbeitung, welche die Beurteilung auf zureichender Tatsachenbasis gefährden kann. Es gehört zu den elementaren Grundsätzen des Strafprozessrechtes, dass sämtliche im Rahmen des Verfahrens vorgenommenen Erhebungen (objektiv) aktenkundig gemacht werden (BGE 115 Ia 97 E. 4c S. 99). Das heisst zugleich, dass Akten in einer geeigneten Weise zu erstellen sind, dass sich damit befasste Personen ohne weiteres (subjektiv) aktenkundig machen können. Nach der Botschaft (a.a.O.) soll das Verzeichnis einen raschen Überblick ermöglichen und der unerlässlichen Kontrolle dienen, insbesondere wenn die Akten zur Einsichtnahme ausgehändigt werden. Diese Rechtslage beachtet die Vorinstanz nicht, indem sie den Antrag abweist, die Akten zu paginieren und ein Verzeichnis zu erstellen. Die Dossiers, gerade auch die Vollzugsakten, haben transparent strukturiert und paginiert aufbereitet zu sein, so dass sie unmittelbar erschliessbar sind. Das “Inhaltsverzeichnis” (oben E. 3.2, 3.3.3) der fünf Bundesordner und der sogenannte “Journaleintrag” (oben E. 3.2) des gelben Ordners genügen den gesetzlichen Anforderungen an den Rechtsbegriff der “fortlaufenden Erfassung in einem Verzeichnis” nicht; nur in einfachen Fällen lässt sich von diesem Verzeichnis absehen (Art. 100 Abs. 2 StPO). Der Beschluss ist wegen formeller Rechtsverweigerung aufzuheben (E. 3.3.4).

Für diesen Entscheid sind wahrscheinlich alle dankbar, vielleicht sogar die Abteilungen der Staatsanwaltschaft, welche die Aktenunordnung bevorzugten (es gibt ja auch eine Abteilung, welche die gesetzlichen Anforderungen schon vor diesem Entscheid erfüllt hat und damit auch bewiesen hat, dass es möglich ist.

Mein Dank geht auch an den Anwalt und seinen Klienten, die das Urteil erwirkt haben.