Untersuchung auch ohne Strafantrag?

In einem Strafverfahren wurde bekannt, dass im Haus des Beschuldigten Gäste beim Gang auf die Toilette heimlich gefilmt wurden. Bei der Identifizierung der Gäste wollte der Beschuldigte nicht mitwirken. Mit Hilfe ausgewerteter Smartphones konnten die Strafverfolger aber Personalien ermitteln, welche den gefilmten Gäste zuzuordnen sind. Diese Betroffenen sollten nun als Zeugen befragt werden, wogegen sich der Beschuldigte erfolglos wehrte. Das Bundesgericht tritt in einem Präsidialentscheid nicht auf seine Beschwerde ein (BGer 1B_488/2021 vom 16.09.2021):

Der Beschwerdeführer macht geltend, es gehe einmal um die Frage, ob die Staatsanwaltschaft bei einem Antragsdelikt umfangreiche Ermittlungen tätigen dürfe, bevor ein Strafantrag vorliege. Anderseits sei fraglich, ob sie die Personendaten, die sie aus der Auswertung von zwei Mobiltelefonen erhalten habe, für die Ermittlung der auf den Videoaufzeichnungen gespeicherten Personen verwenden dürfe, da zwischen den beiden Vorgängen objektiv kein Zusammenhang bestehe. Mit den Schreiben würden zwölf aussenstehende Personen über das Verfahren gegen ihn informiert. Selbst wenn dieses in einem Freispruch enden oder mangels Strafanträgen gar nicht eröffnet würde, ändere das nichts an dem Umstand, dass diese Personen aus seinem Umfeld bzw. demjenigen seiner Lebensgefährtin und seiner Tochter von den Vorwürfen gegen ihn Kenntnis hätten. Er müsse quasi mit diesem Makel weiterleben, was einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur darstelle.  

Dem kann nicht gefolgt werden. Wie das Obergericht zu Recht ausführt (E. 3.1), ist die Staatsanwaltschaft berechtigt und verpflichtet, die Personen zu ermitteln, die mit der Kamera des Beschwerdeführers in der Gäste-Toilette seines Hauses heimlich gefilmt wurden, sie über diesen Vorgang aufzuklären und ihnen Gelegenheit zu geben, allenfalls einen Strafantrag zu stellen. Die von der Staatsanwaltschaft zu diesem Zweck verfügte Beweismassnahme ist daher keineswegs von vornherein unzulässig und die erhobenen Beweise nicht offenkundig unverwertbar. Der Umstand allein, dass ein Beweismittel, dessen Verwertbarkeit der Beschwerdeführer bestreitet, in den Akten bleibt, bewirkt grundsätzlich keinen Nachteil rechtlicher Natur, da der Beschwerdeführer seinen Einwand bis zum Abschluss des Strafverfahrens erneut vorbringen kann. Er kann die Frage der Verwertbarkeit des Beweismittels namentlich dem Sachrichter unterbreiten (Art. 339 Abs. 2 lit. d StPO). Der Beschwerdeführer bringt keine Umstände vor, die nach der Rechtsprechung (BGE 141 IV 289 E. 1.2 und 1.3) ausnahmsweise die vorgängige Anfechtung von Beweisbeschlüssen zulassen würden, und solche sind auch nicht ersichtlich. Dass durch die umstrittene Beweiserhebung Dritte vom Tatverdacht bzw. von der Durchführung des Vor- oder Strafverfahrens Kenntnis erhalten, gehört zu den tatsächlichen Belastungen, die ein Strafverfahren mit sich bringt. Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil rechtlicher Natur liegt darin indessen nicht, da der Beschuldigte mit einem Freispruch vollständig rehabilitiert werden kann. Die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG zur Anfechtung eines Zwischenentscheids sind damit nicht erfüllt (E. 1.2. Hervorhebungen durch mich). 

Dass die Staatsanwaltschaft auch ohne Strafantrag Antragsdelikte ermitteln muss, wage ich zu bezweifeln (Art. 303 StPO als Prozessvoraussetzung wird nicht einmal erwähnt). Ich wage auch zu bezweifeln, ob hier wirklich die Voraussetzungen nach Art. 108 BGG erfüllt waren.