Vorratsdatenspeicherung: umfassend und anlasslos

Vor ein paar Wochen hat das Bundesgericht die Vorratsdatenspeicherung sanktioniert (BGE 1C_598/2016 vom 03.03.2018, Publikation in der AS vorgesehen).

Zu entscheiden war die Frage, ob die Speicherung und Aufbewahrung von mit dem Fernmeldeverkehr verbundenen Randdaten verfassungs- bzw. konventionskonform sind. Vom Prozessthema nicht erfasst war der Zugriff auf diese Daten durch die Strafverfolgungsbehörden zu Überwachungszwecken nach Art. 269 ff. StPO.

Das Bundesgericht erkennt in Art. 15 Abs. 3 aBÜPF eine hinreichende gesetzliche Grundlage (vgl. dazu nun Art. 19 BÜPF). Die Abwägung nach Art. 36 Abs. 2 BV nimmt das Bundesgericht ohne Bewertung der privaten Interessen vor, womit das Ergebnis von Vornherein feststand.

Mit der Vorinstanz ist daher davon auszugehen, dass die Speicherung und Aufbewahrung dieser Daten eine rückwirkende Überwachung als Mittel der Strafverfolgung ermöglicht. Diese Massnahmen dienen insofern nicht nur der im Gemeinwohl liegenden öffentlichen Sicherheit und Ordnung, indem sie zur Ermittlung und damit zur Verhütung von Straftaten beitragen (…), sondern schützen ebenso die Rechte und Freiheiten Dritter (…). Dies räumen denn auch die Beschwerdeführer im Grundsatz ein. Darüber hinaus bezweckt die Speicherung und Aufbewahrung von Randdaten des Fernmeldeverkehrs, die zuständigen Behörden bei der Suche und Rettung vermisster Personen zu unterstützen, womit ein Beitrag zur öffentlichen Gesundheit geleistet wird. Insofern liegt ein genügendes, sehr gewichtiges öffentliches Interesse vor (E. 7).

Die Verhältnismässigkeit der systematischen Speicherung und Aufbewahrung von Randdaten der Telekommunikation bejaht das Bundesgericht auch:

Zur Eignung:

Die Beschwerdeführer übersehen mit dieser Argumentation indes, dass es für einen Grundrechtseingriff unter dem Titel der Zwecktauglichkeit genügt, wenn er zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet ist, um vor dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit standzuhalten (…). Verlangt wird somit, dass die streitigen Massnahmen mit Blick auf den angestrebten Zweck Wirkungen zu entfalten vermögen und nicht gänzlich daran vorbei zielen (…). Dies ist bei der Speicherung und Aufbewahrung von Telekommunikationsranddaten ohne Weiteres der Fall, wie auch die von der Vorinstanz aufgeführten Beispiele aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung im Bereich der Strafverfolgung belegen (E. 8.1).

Der Erforderlichkeitsprüfung  weicht das Bundesgericht unter Hinweis auf den Willen des Gesetzgebers aus:

Der schweizerische Bundesgesetzgeber hat sich ausdrücklich für dieses System der umfassenden und anlasslosen Speicherung und Aufbewahrung von Randdaten der Telekommunikation ausgesprochen und diesen Entscheid im Rahmen der Totalrevision des BÜPF bestätigt (vgl. Botschaft zum nBÜPF, BBl 2013 2683, 2740 f. Ziff. 2.6). Anlässlich der parlamentarischen Debatten im Nationalrat wurde die Einführung des von den Beschwerdeführern als mildere Massnahme vorgeschlagenen “quick freeze”-Verfahrens (…) explizit verworfen (…). Dieses fällt als weniger weitreichende Massnahme ausser Betracht, zumal es eine geringere Zwecktauglichkeit aufweist als das geltende System und somit nicht den vom Gesetzgeber erwünschten Erfolg zu zeitigen vermag (vgl. BGE 129 I 35 E. 10.2 S. 46)  [E. 8.2.2].

Auf den Rest musste es an sich gar nicht mehr eingehen. Interessant sind allerdings noch die datenschutzrechtlichen Erwägungen. Das letzte Wort wird aber wohl der EGMR haben (vgl. dazu Steiger). Aus rein schweizerischer Sicht (Demokratieprinzip / keine Verfassungsgerichtsbarkeit) ist der Entscheid aber natürlich richtig. Die Schweiz ist ja schliesslich kein Rechtsstaat.