Was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm

Der Eventualvorsatz ist keine Rechtsfigur, die Beweisnot lindern soll Deshalb verlangt das Bundesgericht eine nachvollziehbare Begründung der Elemente, die auf Eventualvorsatz schliessen lassen.

In einem kürzlich publizierten Entscheid kritisiert es das Obergericht des Kantons Zürich, das einen Mann für eine in angeblichem Notwehrexzess erfolgte Körperverletzung zu einem Jahr Gefängnis verurteilen wollte (BGer 6B_908/2017 vom 15.03.2018).

Hier zunächst die beweisrechtliche Grundlegung:

Was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft innere Tatsachen und ist Tatfrage. Rechtsfrage ist hingegen, ob angesichts der festgestellten Tatsachen der Schluss auf Eventualvorsatz begründet ist (BGE 141 IV 369 E. 6.3 S. 375; 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 4). Da sich Tat- und Rechtsfragen insoweit teilweise überschneiden, hat das Sachgericht die in diesem Zusammenhang relevanten Tatsachen möglichst erschöpfend darzustellen, damit erkennbar wird, aus welchen Umständen es auf Eventualvorsatz geschlossen hat. Das Bundesgericht kann in einem gewissen Ausmass die richtige Bewertung dieser Umstände im Hinblick auf den Rechtsbegriff des Eventualvorsatzes überprüfen (BGE 133 IV 1 E. 4.1 S. 4; 130 IV 58 E. 8.5 S. 63; je mit Hinweisen) []E. 1.3.4, Hervorhebungen durch mich].

Bei der Anwendung dieser Grundsätze begibt sich das Bundesgericht dann erstaunlich tief in den Sachverhalt, um die richtige Bewertung der Umstände prüfen zu können. Diese (weiteren) Umstände fehlten dem Bundesgericht:

Vom Wissen um die blosse Möglichkeit einer schweren Körperverletzung darf nach der Rechtsprechung indes nicht auf deren Inkaufnahme geschlossen werden. Vielmehr müssen bei einem bloss möglichen Erfolgseintritt weitere belastende Umstände hinzukommen. Solche zeigt die Vorinstanz nicht auf. Zugunsten des Beschwerdeführers wäre in diesem Zusammenhang vielmehr zu berücksichtigen, dass er den Stoss als Reaktion auf den körperlichen Angriff durch den Beschwerdegegner 2 ausführte und er von diesem danach offenbar abliess (E. 1.4, Hervorhebungen durch mich).

Damit war auch der Notwehrexzess vom Tisch:

Die Vorinstanz begründet folglich die Unverhältnismässigkeit der Notwehr und letztlich auch die fehlende Entschuldbarkeit des Notwehrexzesses damit, der Beschwerdeführer habe in Kauf genommen, dem Beschwerdegegner 2 mit seiner Abwehrhandlung eine schwere Körperverletzung zuzufügen. Da der vorinstanzliche Schuldspruch wegen versuchter eventualvorsätzlicher Körperverletzung wie dargelegt (oben E. 1) gegen Bundesrecht verstösst, ist der angefochtene Entscheid auch in diesem Punkt aufzuheben (E. 2.3)