Zur Interessenabwägung bei der Landesverweisung

Das Bundesgericht bestätigt ein Urteil des Kantonsgerichts LU, das über den Beschwerdeführer eine Landesverweisung ausgesprochen hatte. Es verneinte den Härtefall und ergänzte zudem, dass auch die Interessenabwägung für die Landesverweisung spreche (BGer 6B_714/2022 vom 29.08.2023; Fünferbesetzung).

Ich poste den Entscheid, weil er Einblicke in die höchstrichterlichen Kriterien vermitteln und für die Praxis wichtig sein könnte:

Nach dem Gesagten ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz einen schweren persönlichen Härtefall verneint. Aber selbst wenn vorliegend ein solcher zu bejahen wäre, würde dies am Ergebnis nichts ändern. Denn die Interessenabwägung fiele in jedem Fall zu Ungunsten des Beschwerdeführers aus: Die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung überwögen die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in der Schweiz. Massgebendes Element wäre auf der Seite der privaten Interessen des Beschwerdeführers vorab dessen gute Integration. Jedoch gälte es dabei auch die von der Vorinstanz ausführlich dargelegte gute Ausgangslage für eine Wiedereingliederung im Heimatstaat Kosovo zu berücksichtigen, namentlich folgende Umstände: Der Beschwerdeführer beherrscht die albanische Sprache, ist mit der Kultur des Kosovos bestens vertraut, verfügt zumindest über seine Ehefrau über ein familiäres Netzwerk im Kosovo, auf das er zurückgreifen kann, und hat im Kosovo schliesslich intakte Aussichten auf eine Erwerbstätigkeit in seinem erlernten Beruf. Das öffentliche Interesse an der Landesverweisung bestünde darin, künftige Straftaten des Beschwerdeführers zu verhindern. Dieses Interesse wäre in casu hoch. Die Öffentlichkeit ist vor schweren Delikten der Art, für die der Beschwerdeführer rechtskräftig verurteilt wurde, zu schützen: Dieser hat seine Opfer aus nichtigem Anlass brutal in deren körperlichen Unversehrtheit angegriffen und bei seiner Festnahme fünf Polizisten verletzt. Wie die Vorinstanz verbindlich feststellt, hat er dabei eine enorme Aggressivität und eine massive Gewaltbereitschaft gezeigt. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers vermag seine Legalprognose nichts daran zu ändern, dass die Öffentlichkeit vor Delikten dieser Art zu schützen ist: Je schwerer solche Delikte sind, desto geringer ist die Rückfallgefahr, die hingenommen werden muss. Das öffentliche Interesse an einer Landesverweisung des Beschwerdeführers würde insgesamt dessen Interesse an einem Verbleib in der Schweiz überwiegen, sodass er – selbst bei Annahme eines schweren persönlichen Härtefalls – des Landes verwiesen werden müsste (E. 1.6, Hervorhebungen durch mich).  

Wieso die offenbar günstige Legalprognose nichts mit dem öffentlichen Schutzbedürfnis zu tun haben soll, verstehe ich nicht.