Update: Grundsatzentscheid zum Quellenschutz

Der Entscheid des Bundesgerichts (s. meinen früheren Beitrag) ist nun online (BGer 1B_44/2010 vom 10.11.2010). Er äussert sich zunächst zu den Grundlagen der Medienfreiheit und insbesondere des Redaktionsgeheimnisses  (Art. 17 Abs. 3 BV und Art. 10 Ziff. 1 EMRK) und dessen Schutz im StGB (Art. 28a StGB).

Ob sich das Schweizer Fernsehen auf den Quellenschutz berufen durfte (nicht musste), entscheidet das Bundesgericht durch Auslegung von Art. 28a StGB. Es kommt dabei zum Schluss, dass

  • das Schweizer Fernsehen SF ein periodisch erscheinendes Medium im Sinne des Gesetzes ist;
  • das über die eigentlichen Fernsehsendungen hinaus auch in Bezug auf die Blogs gilt, welche auf der SF-Website in regelmässiger Zeitfolge aufgeschaltet werden und sich an einen grossen Kreis und an die Öffentlichkeit richten;
  • es sich beim Blog und den dazu ergangenen Kommentaren um Informationen im redaktionellen Teil im Sinne des Gesetzes handelt;
  • SF im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit handelte und
  • sich damit auf den Quellenschutz berufen durfte.

Entscheidend war, dass das Bundesgericht den Begriff der Information weit auslegt:

Wegen der Bedeutung der Medienfreiheit und des Redaktionsgeheimnisses in einer demokratischen Gesellschaft ist der Begriff der Information weit auszulegen. Zu den Informationen gehören nicht nur sog. seriöse Botschaften, es kann gleichermassen die Vermittlung von Belanglosigkeiten dazu zählen. Auf ihren Wahrheitsgehalt und ihre Ernsthaftigkeit kann es nicht ankommen. Ebenso unerheblich ist, ob die Information von allgemeinem und öffentlichem Interesse ist. Es darf berücksichtigt werden, dass auch mit der sog. Unterhaltung Informationen verbunden sein können. Der Begriff der Unterhaltung ist demnach restriktiv zu verstehen (E. 3.5).

Seine Erwägungen fasst das Bundesgericht wie folgt zusammen:

 

Gesamthaft zeigt sich, dass die Unterscheidung zwischen Information und Unterhaltung sowohl in allgemeiner Hinsicht als auch im konkreten Fall schwierig ist. Mit Blick auf den verfassungsrechtlichen Hintergrund der Medienfreiheit und die Ausrichtung der Bestimmung von Art. 28a StGB sowie im Interesse der Rechtssicherheit ist im Allgemeinen von einem weiten Informationsbegriff auszugehen. Im vorliegenden Fall ist von Bedeutung, dass der umstrittene Kommentar an den Blog anschliesst und gewissermassen eine Antwort auf den Blog darstellt. Schliesslich hat sich gezeigt, dass der Beitrag auch konkret betrachtet tatsächlich Informationen enthält, welche die Anwendung des Quellenschutzes rechtfertigen.
Somit fällt der fragliche Kommentar in den Anwendungsbereich von Art. 28a Abs. 1 StGB. Das bedeutet, dass das SF Schweizer Fernsehen die Identität des Autors nicht preisgeben muss (E. 3.8).
Zum Umfang des Quellenschutzes fügt das Bundesgericht an, dass er
nicht nur der Name des Autors [umfasse]. Dem Schutz unterstehen auch weitere Angaben, welche dessen Identifizierung erlauben. Dazu zählen insbesondere auch die IP-Adresse des Erstellers und der Zeitpunkt der Übermittlung, welche die Suche nach dem Autor ermöglichen (vgl. zur Bedeutung von IP-Adressen das zur amtlichen Publikation bestimmte Urteil 1C_ 285/2009 vom 8. September 2010, E. 3.3) (E. 3.8).
Dem ist nichts hinzuzufügen. Ein kurz und klar begründeter Entscheid, aus dem für andere Blogs aber vermutlich nicht allzu viel abgeleitet werden darf.