Die Verteidigerin als Gegnerin des Beschuldigten

Ein amtlich Verteidigter wurde erstinstanzlich zu einer Freiheitsstrafe vom 23 Monaten, aufgeschoben zugunsten einer stationären Massnahme nach Art. 59 StGB, verurteilt. Berufung hat er nicht anmelden lassen. Nach Ablauf der Anmeldefrist beauftragte er eine private Verteidigerin, welche die Frist zur Berufungsanmeldung wiederherstellen lassen wollte. Sie machte ungenügende Verteidigung durch die amtliche Verteidigerin geltend, blieb damit aber erfolglos (BGer 6B_987/2019 vom 03.10.2019). Entscheidend war … (Quizfrage)?

die Einlassung der amtlichen Verteidigerin, die vor einer Willkürprüfung standhielt:

Schliesst die Vorinstanz aus, dass Rechtsanwältin B. den Beschwerdeführer über die Bedeutung einer stationären Massnahme nicht oder nur marginal aufklärte, ist dies eine Tatfrage. Gleiches gilt, soweit die Vorinstanz zur Überzeugung gelangt, Rechtsanwältin B. habe den Beschwerdeführer nicht etwa in seiner irrigen Vorstellung belassen und ihn in diesem Sinne bewusst irregeführt. Diese Feststellungen werden vom Bundesgericht nur auf Willkür überprüft (vgl. zum Begriff der Willkür BGE 143 IV 241 E. 2.3.1 S. 244; 141 III 564 E. 4.1 S. 566; je mit Hinweisen) [E. 1.5].

Die amtliche Verteidigerin hatte zum Nachteil ihres Mandanten wie folgt interveniert:

Die Vorinstanz verweist auf die Stellungnahmen von Rechtsanwältin B. vom 15. Februar 2019 und 5. März 2019. Diese bezeichnet die Vorwürfe, massive Sorgfaltspflichtverletzungen begangen zu haben, als falsch. Sie unterstreicht, den Beschwerdeführer am 28. November 2017 auf die Bedeutung und Konsequenzen einer stationären Massnahme aufmerksam gemacht zu haben. Während der Dauer des vorzeitigen Massnahmenvollzugs habe er nie einen Antrag auf Entlassung gestellt und im Vorfeld der Hauptverhandlung vom 12. Dezember 2018 sei er mit dem Antrag auf Anordnung einer stationären Massnahme einverstanden gewesen. Am 19. Dezember 2018 habe ihr der Beschwerdeführer mitgeteilt, mit dem Urteil einverstanden zu sein. Dabei sei sein wichtigstes Anliegen gewesen, so bald als möglich von der Justizvollzugsanstalt Solothurn in eine psychiatrische Klinik oder Institution übertreten zu können. Hätte der Beschwerdeführer gegenüber Rechtsanwältin Sabrina Weisskopf (wie von dieser behauptet) in der Vergangenheit tatsächlich immer wieder seine frühere Zustimmung zum vorzeitigen Massnahmenantritt hinterfragt und mit gänzlich falschen Vorstellungen erklärt, wäre mit Sicherheit ein Gesuch um Entlassung aus dem vorzeitigen Massnahmenantritt gestellt worden. Dies sei aber nicht der Fall (…) [E. 1.4].

Vielleicht hat die amtliche Verteidigerin tatsächlich nicht schlecht verteidigt. Dass sie ihrem Klienten dann aber in den Rücken fiel und damit eine Berufung verunmöglichte, dürfte mit den Berufspflichten kaum vereinbar sein. Ob sie vor ihrer Stellungnahme vom Berufsgeheimnis entbunden war, lässt sich dem Entscheid nicht entnehmen. Abgesehen davon fragt sich, ob die strenge Praxis der Rechtsprechung bei notwendiger Verteidigung verfassungskonform ist.