Non olet?

Im Kanton SG wurde ein Beschuldigter für 68 Tage in Untersuchungshaft genommen, weil er bei der Einreise in die Schweiz CHF 29,900.00 in seinem Auto versteckt hatte. Das reicht in St. Gallen offenbar, um den dringenden Tatverdacht der Geldwäscherei zu erfüllen, denn das Bargeld war stark mit Kokain kontaminiert. Im Einstellungsverfahren entschied die Anklagekammer SG auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin, dem Beschuldigten sei das Geld zurückzugeben und er sei nach Art. 429 StPO zu entschädigen. Da die Anklagekammer den Entscheid zu wenig gründlich begründete, wird sie nun vom Bundesgericht verpflichtet, neu zu entscheiden (BGer 6B_502/2020 vom 06.05.2021).

Der Entscheid des Bundesgerichts äussert sich zu diversen Rügen der Staatsanwaltschaft. Zunächst nimmt das Bundesgericht unter Hinweis auf seine Rechtsprechung Stellung zu Geldscheinen, die mit Kokain verunreinigt sind:

Die blosse Kokain-Kontamination genügt für den Nachweis der deliktischen Herkunft von Bargeld aus dem Drogenhandel in der Regel nicht, wenn als Grund für die Kontamination ein blosser Besitz von Kokain zum Eigenkonsum nicht ausgeschlossen werden kann. Für den Nachweis der deliktischen Herkunft der Gelder bedarf es daher weiterer Indizien wie u.a. das Fehlen einer plausiblen Erklärung für einen legalen Erwerb (Urteil 6B_1042/2019 vom 2. April 2020 E. 2.4.1; 6B_220/2018 vom 12. April 2018 E. 6) [E. 1.2.1, Hervorhebungen durch mich]. 

Das bedeutet im Ergebnis, dass stark kontaminiertes Geld beschlagnahmt werden darf, wenn der Inhaber nicht plausibel erklären kann, woher es (legalerweise) stammt. Es gilt dann offenbar die – widerlegbare – Vermutung, es stamme aus dem Drogenhandel, wovon hier auch die Anklagekammer SG ausgegangen war. Die Anklagekammer sah aber trotzdem von einer Einziehung ab, muss dies nun aber noch bundesgerichtsfest begründen:

Ob die Vorbringen betreffend den Erwerb einer Bäckereimaschine über pauschale Behauptungen hinausgehen und inwiefern sich den erwähnten Kontoauszügen der legale Erwerb des Bargeldes tatsächlich entnehmen lässt, führt die Vorinstanz nicht aus. Schliesslich ist nicht ersichtlich, ob für die pauschal geäusserte Vermutung der Vorinstanz, wonach aus dem mutmasslich gutgläubigen Erwerb folge, dass eine gleichwertige Gegenleistung erfolgt sei, in tatsächlicher Hinsicht Anhaltspunkte vorliegen und ob der Beschwerdegegner diesbezüglich bei der Beweiserhebung im Einziehungsverfahren seiner Pflicht zur Mitwirkung in zumutbarer Weise nachgekommen ist (vgl. oben E. 1.2). Der angefochtene Entscheid vermag demnach den Begründungsanforderungen nach Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG nicht zu genügen (E. 1.4. Hervorhebungen durch mich).  

Der Rest des Entscheids dreht sich um die Entschädigungspflicht, u.a. um die Frage, ob bei der Höhe der Entschädigung die Verhältnisse im Heimatland des Betroffenen berücksichtigt werden dürfen:

In der Reduktion des Tagessatzes von 220.– um 40 %, welche der in Serbien tieferen Kaufkraft und dem tieferen Lohnniveau Rechnung trägt, ist keine Ermessensunterschreitung bei der Festlegung des Tagessatzes zu erkennen. (E. 2.4).

Und schliesslich noch ein wiederholter Hinweis an die Verteidiger: Bei der Haftentschädigung muss die Verzinsung explizit beantragt werden:

Unterlässt es der Antragssteller, eine Verzinsung der Genugtuung zu verlangen, obwohl es ihm respektive seinem Rechtsvertreter zumutbar gewesen wäre, ist von einem impliziten Verzicht auf die Verzinsung auszugehen (Urteil 6B_632/2017 vom 22. Februar 2018 E. 2.4) [E. 3.2.2].

Auf den neuen Entscheid der Anklagekammer, der dann vermutlich unabhängig vom Ausgang wieder an das Bundesgericht gezogen wird, darf man gespannt sein.