Polizeirechtliche StPO-Erweiterung

Eine StPO-widrige Durchsuchung eines Zimmers, in dem sich eine illegale Hanfindoor-Anlage (angeblich ein Zufaer Zufallsfund) befand, heisst noch nicht, dass sie auch rechtswidrig war. Das kantonale Polizeirecht kann nach einem neuen Urteils des Bundesgerichts die erforderliche gesetzliche Grundlage liefern (BGer 6B_584/2022 vom 24.08.2023, Fünferbesetzung).

In der Sache ging es um einen Polizeieinsatz in einer Wohnung anlässlich eines Beziehungsstreits. Bei diesem Einsatz wurde gleich auch ein geschlossenes Zimmer durchsucht, in dem sich überraschenderweise eine Hanfindoor-Anlage mit 44 Hanfpflanzen fand. Zu klären war die Frage nach der Verwertbarkeit dieses “Zufallsfunds”, der natürlich kein Zufallsfund war.

Zwar stellt die Vorinstanz, wie soeben dargelegt, fest, in der StPO sei keine rechtliche Grundlage für die Durchsuchung des Zimmers Nr. 2 enthalten. Jedoch stützt sie die Verurteilung auf das kantonale Polizeigesetz, konkret auf Art. 2 Abs. 2 PG/SG (E. 1.4).

Das Bundesgericht hat sodann geprüft, ob die Dursuchung gestützt auf das Polizeigesetz gesetzeskonform war und hat das bejaht. Art. 2 Abs. 2 PG/SG lautet wie folgt:

Ohne besondere gesetzliche Grundlage darf in Freiheit und Eigentum nur eingegriffen werden, wenn eine schwere und unmittelbare Gefährdung oder Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht anders abgewehrt werden kann.

Obwohl die Protagonisten des Streits sofort angetroffen wurden, kamen Vorinstanz und Bundesgericht zum Schluss, dass sich im Zimmer Nr. 2 möglicherweise bewaffnete Dritte aufgehalten haben könnten. Aus Eigenschutz hätte das Zimmer durchsucht werden dürfen:

Insgesamt ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz erwägt, aufgrund dieser unerwarteten Elemente hätten die Polizeibeamten von einem echten und unvorhersehbaren Notfall ausgehen dürfen und müssen. Daraus schliesst sie nachvollziehbar, das Betreten des Zimmers Nr. 2 durch die Polizeibeamten zwecks Eigensicherung sei verhältnismässig und damit von der polizeilichen Generalklausel gemäss Art. 2 Abs. 2 PG/SG gedeckt (E. 1.5.4).

Damit war für das Bundesgericht klar, dass der angebliche Zufallsfund verwertet werden konnte:

Soweit er dies damit begründet, sowohl die Durchsuchung der Wohnung als auch die gestützt darauf gewonnenen Beweise, die zur Eröffnung des vorliegenden Strafverfahrens geführt hätten, seien ohne gesetzliche Grundlage, ohne hinreichenden Tatverdacht und damit rechtswidrig erfolgt, ist ihm nach den obigen Ausführungen nicht zu folgen. Mit der Vorinstanz erweist sich die Durchsuchung des Zimmers Nr. 2 als zulässig (E. 6).

Für mich ist das alles andere als klar, zumal die Feststellungen des Bundesgerichts nicht genügen, um die Verwertbarkeit bejahen zu können. Selbst wenn die Durchsuchung des Zimmers Nr. 2 polizeirechtlich zulässig war, heisst das noch nicht, dass sie strafprozessual verwertbare Beweismittel produziert hat. Strafprozessual war die Durchsuchung des Zimmers Nr. 2 eine verbotene anlasslose und verdachtsunabhängige Zwangsmassnahme ohne den erforderlichen Zwangsmassnahmenbefehl.