Treuwidrige Staatsanwaltschaft

Mitunter erweist sich auch das Verhalten einer Staatsanwaltschaft als treuwidrig. Dies ist der Fall, wenn sie im Berufungsverfahren auf Beweisanträge verzichtet und nach dem Freispruch der Vorinstanz vorwirft, sie hätte Beweise erheben müssen.

In diesem Sinn qualifiziert das Bundesgericht das Verhalten der Oberstaatsanwaltschaft ZH als treuwidrig (BGer 6B_311/2019 vom 22.08.2019):

Im Rahmen der Berufungserklärung stellte der Beschwerdegegner den Antrag, es sei ein aussagepsychologisches Gutachten hinsichtlich der Aussagen von A. einzuholen. Die Staatsanwaltschaft widersetzte sich in der Anschlussberufung diesem Antrag und stellte keine eigenen Beweisanträge. Sie führte aus, dass die notwendigen Beweismittel in der Untersuchung formgerecht und verwertbar erhoben worden seien und der Fall spruchreif sei. Auch in der Berufungsverhandlung stellte die Beschwerdeführerin keine Beweisanträge. Die Beschwerdeführerin verhält sich treuwidrig, indem sie sich zunächst explizit auf den Standpunkt stellt, der Fall sei spruchreif und erst später – nachdem die Vorinstanz zu ihren Ungunsten entschied – vor Bundesgericht rügt, A. hätte im Berufungsverfahren erneut einvernommen werden müssen. Auf diese Rüge ist nicht einzutreten (E. 1.3.2).