Wann und wie lange ist ein Tatverdacht dringend?

Ein Jahr lang befand sich ein Mann im Kanton ZH in Untersuchungshaft, der an einem Tötungsdelikt in nicht näher bekannter Art und Weise beteiligt gewesen sein soll. Mit seiner zweiten Beschwerde an das Bundesgericht hatte er nun Erfolg: Sofortige Haftentlassung (BGer 1B_61/2019 vom 27.02.2019).

Die beiden Urteile des Bundesgerichts zeigen sehr gut die Folgen eines Verdachts, der sich nicht verdichten lässt. Sie zeigen, dass der Begriff des dringenden Tatverdachts nicht nur relativ, sondern auch flexibel ist. Was zu Beginn des Verfahrens noch als dringend erscheint, ist ein halbes Jahr später anders zu qualifizieren. Hier zunächst die Erwägungen aus dem aktuellen, späteren Entscheid:

Die Erhebung der Randdaten der Mobiltelefone hat ergeben, dass der Beschwerdeführer und der Mitbeschuldigte in der Tatnacht zwischen 00.58 Uhr und 02.30 Uhr mit ihren Handys mehrmals miteinander telefonierten, dass um 03.30 Uhr nacheinander beide Mobiltelefone vom Netz verschwanden und dass sie um 05.30 Uhr im Seefeld wieder ans Netz gingen. Dies vermag zwar, wie bereits im Urteil 1B_361/2018 festgestellt, den Verdacht zu begründen, dass der Beschwerdeführer und der Mitbeschuldigte, dessen Anwesenheit am Tatort durch DNA-Spuren erstellt ist, nach der Tötung von B. in Küsnacht gemeinsam nach Zürich fuhren, wo sie die aus “Sicherheitsgründen” abgeschalteten Handys wieder einstellten. In einem frühen Stadium der Untersuchung liess sich daraus auch der Verdacht ableiten, dass der Beschwerdeführer an der Tötung beteiligt gewesen sein könnte. Einen Beweis, dass die beiden in der Tatnacht zusammen unterwegs waren, stellt die Erhebung der Randdaten indessen offenkundig nicht dar (E. 2.2).

Im ersten Entscheid (BGer 1B_361/2018 vom 20.08.2018) hatte sich das Bundesgericht noch wie folgt ausgedrückt:


Zusammenfassend ergibt sich, dass ein erheblicher Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer besteht, auch wenn die Beweislage zurzeit keineswegs erdrückend ist und es damit ungewiss erscheint, ob sie eine Verurteilung zulassen würde, wenn die Staatsanwaltschaft nicht weitere belastende Beweismittel vorlegen kann. Das ist hier allerdings nicht abschliessend zu prüfen. Der Beschwerdeführer war für die Untersuchungsbehörden erst mit seiner Verhaftung am 7. März 2018 greifbar, womit die Untersuchung gegen ihn seit weniger als einem halben Jahr richtig in Gang kommen konnte. Sie befindet sich in seinem Fall daher erst in einem relativ frühen Stadium, in dem noch keine zu hohen Anforderungen an den Tatverdacht gestellt werden dürfen. Die Auswertung der Randdaten der Handys des Beschwerdeführers und des Mitbeschuldigten D. und die gemeinsame Feier der Beiden in der folgenden Nacht belasten den Beschwerdeführer jedenfalls erheblich. Im jetzigen Stadium der Untersuchung reicht dieser Verdacht aus, um die Verlängerung der Untersuchungshaft zu rechtfertigen (E. 2.3).